Ursprünglich erschienen 1998 als » Weekly Work Nr. 38

In der letzten Woche zeigte ich  291 mit einer Fotografie von mir und zwei angefangenen Gemälden auf der Staffelei, nämlich  291 und  292 ( Brennende Kerze). Es liegt nahe, mit diesem weiterzumachen.

Soweit ich sehen kann, ist Nr. 292 das erste Gemälde mit einem Krokodil. Später erscheinen sie öfter, und lange Zeit war ich verblüfft darüber, weil sich keine Bedeutung anbot. Jahre später las ich ein kleines Buch über esoterische Astrologie, das ein bißchen Licht auf die Szene warf.

Im Verständnis des Autors bietet die esoterische Astrologie eine Erklärung für die Schwierigkeiten und die Entwicklung des persönlichen Lebens unter Zuhilfenahme von sowohl Psychologie als auch Astrologie. Ich kenne mich in beiden Gebieten nicht aus, daher kann ich hier keine tieferen Einsichten anbieten.

Kurz und gut, so weit ich die Theorie verstanden habe, spiegelt sich die Persönlichkeit in der Konstellation ihres Horoskops. Wie allgemein bekannt ist, ist das Horoskop in 12 Häuser und 12 Tierkreiszeichen eingeteilt. Dann gibt es noch die berühmten Planeten, die meistens nach antiken Gottheiten benannt sind.

Die esoterische Astrologie versucht nicht nur, ein persönliches Leben aus dem Horoskop zu erklären, sondern auch die Aufgaben eines individuellen Lebens aufzuzeigen. Zu diesem Zweck benutzt der Autor drei Analogien. Zunächst erklärt er die Theorie multiple Persönlichkeiten. Statt von einer eindimensionalen, leicht zu erfassenden Persönlichkeit auszugehen, beschrieb er die Person durch die Analogie eines Bühnenstücks. Alle handelnden Personen inklusive Autor und Regisseur, 12 an der Zahl, sind verschiedene Aspekte, die gleichzeitig in derselben Person leben. Manchmal sind Sie der starke Held, dann wieder das furchtsamen kleine Kind, usw., und alle gleichzeitig.

Die zweite Analogien benutzt das Bild eines Eisenbahnzuges. Der Zug symbolisiert das Leben, der Ausgangspunkt ist die Geburt. Und vom Beginn an ist das Ziel bekannt, welches natürlich der Tod ist. Der Zug fährt die Strecke ab und transportiert einige Personen (genauer gesagt 12), die wir schon von unserem Bühnenstück kennen. Die Personen halten sich in unterschiedlichen Waggons auf, handeln unabhängig voneinander, kennen sich teilweise, treffen sich oder gehen einander aus dem Weg.

Einige Passagiere träumen davon, nach Süden zu fahren und wundern sich, warum der Zug nach Norden fährt (oder umgekehrt). Sie versuchen, mit aller Kraft ihrer Gedanken und Gefühle die Richtung des Zuges zu beeinflussen, ohne zu bemerken, das der Zug auf diese Weise niemals eine Richtung ändern wird. Statt dessen wäre es viel angemessener, die Reise zu genießen, welche Richtung auch immer der Zug nehmen wird, und vor allen Dingen alle Personen in den verschiedenen Waggons des Zuges kennenzulernen, statt einige zu vermeiden und sich mit anderen zu verbünden

Die letzte Analogie kann direkt auf mein Gemälde angewandt werden. Es ist das Kasperletheater. Der Autor bemerkt, daß Kasper nur eine der 12 Figuren in einer bis zum heutigen Tage blieb uralten Show ist, die alle möglichen Charaktere vorführt, inklusive Krokodil, welches zweifellos die merkwürdigste Rolle spielt, dem König und dem Räuber.

Nicht nur dort, im Kasperletheater, in jedem Film, Roman, Märchen, nächtlichen Traum kommen verschiedene Charaktere vor, die unseren verschiedenen Persönlichkeiten Gelegenheit geben, sich auszuleben, bestimmte Probleme hervorzuheben, Situationen aufzulösen, in denen wir stecken geblieben sind. Auf diese Weise sehen die Psychologen die Kunst als eine Möglichkeit, das Leben einer Person zu erforschen. Tatsächlich ist jedes Leben ein Beispiel für diese Aufgabe, das Leben und die Arbeit eines Psychologen ist einfach nur eine andere Art, sein persönliches Leben zu erfahren.

Einige Psychologen streichen diesen Punkt sehr deutlich heraus: Sie arbeiten ausschließlich für sich selbst und laden ihre Klienten ein, ihnen zu helfen, wobei sie umgekehrt dem Klienten helfen. Die Autoren dieses Buches über esoterische Astrologie lassen dem Leser in dieser Hinsicht keinen Zweifel. So gesehen kann ein Maler nichts Besseres tun als sein eigenes Leben durch die Malerei zu erforschen, wobei er auf diese Weise seinen Kunden und der ganzen Menschheit hilft, obwohl er sich ausschließlich auf sich selbst konzentriert.

Um zum Gemälde und Kasper zurückzukommen, dürfte inzwischen deutlich geworden sein, daß das Krokodil, so merkwürdig es ist, eine sehr wichtige Figur in der Show ist. Sollte es fehlen, wäre der größte Spaß dahin. Ich habe keine Ahnung, wie das Krokodil überhaupt in die Show kam, da wir in Mitteleuropa keine Krokodile haben und auch nie hatten. Es gibt aber noch viele faszinierende Lebewesen in unserer Fantasie, Drachen zum Beispiel, die es in der Realität der nicht gibt, da die Dinosaurier schon lange vor unseren Tagen ausgestorben waren.

Diese Figuren leben nicht nur in den Seelen der Europäer, sondern auf der ganzen Welt in jeder Kultur (ich benutze DragonDictate, dessen Logo ein chinesischer Drache ist). Sie spielen wichtige Rollen in der westlichen Zivilisation, und im Internet finden Sie Science-Fiction-Clubs und Fantasiebilder zuhauf, die Drachen und Ähnliches zeigen.

In diesem Gemälde ist das Krokodil ganz deutlich eine Handpuppe, ebenso wie der König und der Räuber. Alle drei sind extrem lebendig, und sie beziehen sich auf die Frau in der Mitte. Der König und der Räuber scheinen sie beide mit Kraft aufzuladen, und zwar über die Berührung. Die Frau ist offensichtlich eine Art Heldenfigur, wie man sie in den meisten meiner Bilder findet, männlich oder weiblich, wie in diesem Fall. Der Held ist oft nackt, womit er seine Schutzlosigkeit auf das Äußerste treibt. Das Haar entspricht dem Heiligenschein, beide heben die Person in der Mitte besonders heraus. Die Frau hat kein Problem damit, sich dieser Rolle zu stellen.

Beide Personen zur Rechten und zur Linken beziehen sich ebenfalls auf diese Frau. Sie scheinen sie anzusprechen und beide zeigen ihre Zähne, was in meinen Gemälden ziemlich selten vorkommt. Alle realen Personen sind ebenfalls voller Energie. Das Gemälde hat eine heitere Note und ist sogar komisch. Wenn Sie die Werke Nr. 291 und 292 vergleichen, werden Sie Ähnlichkeiten feststellen, obwohl die Unterschiede stärker ausfallen.

Zu diesem Gemälde gibt es eine nette Anekdote. Kurz nach der Fertigstellung hatte ich eine Ausstellung in Bonn, und das Gemälde wurde vor der Eröffnung aus der Ausstellung verkauft. Einige Jahre später wurde das Haus des Besitzers ausgeraubt, und er mußte seine Versicherung informieren. Die schickte einen Experten für Kunst, und als der einen Raum nach dem anderen inspizierte und eine Verbindungstür geöffnet wurde, rief der Fachmann: „Da hängt ja ein Stürenburg!“ Stellen Sie sich die Überraschung des Besitzers vor!

Der Fachmann war Freund einer anderen Kundin von mir, die eine Ausstellung mit meinen Werken in ihrem Haus veranstaltet hatte, um herauszufinden, ob sie eine Galerie eröffnen sollte (was sie später tat), wo er Bilder von mir gesehen hatte. Bei dieser Gelegenheit kaufte er eine kleine Skulptur für seinen Sohn zu dessen 18. Geburtstag. Er sah dieses Gemälde zum ersten Mal, erkannte es aber sofort als ein Werk von mir. So trafen sich ganz unerwartet zwei Liebhaber meiner Kunst.