Tue 14 Nov 2006
Ursprünglich 1998 veröffentlicht als » Daily Drawing Nr. 18
Dieses Gemälde habe ich im Garten des Hauses gemalt, in dem ich als Student wohnte. Das Wetter war nicht so gut, also verzog ich mich in den Unterstand für das Auto, wenn es regnete. Das Bild ist mit Ölfarben auf Hartfaser gemalt. Bei Hartfaser kann man auch die Rückseite bemalen, auch hier ist ein Gemälde auf der Rückseite, nämlich eine Paraphrase einer Paraphrase von Picasso über das “Frühstück im Grünen” von Manet. Ich war inzwischen knapp bei Kasse und sparte am Material, und kurze Zeit später benutzte ich Lackfarben aus der Dose, die viel billiger sind als Künstlerfarben. Meine ersten großen Gemälde sind mit Lackfarben auf Hartfaser gemalt, und viele davon sind heute durch Lagerprobleme in kalten und feuchten Wintern zerstört.
Offensichtlich beschäftigte ich mich mit Picasso. Ich bin kein Karikaturist, ich könnte niemals ein solches Gemälde malen, wenn ich es wollte. Aber hier, wie immer, malte ich einfach drauf los und sah erst hinterher, daß es Picasso und seine Frau Olga zu Beginn ihrer Ehe sind. Die Gemälde an der Wand sind natürlich Picassos, aber ich habe keines seiner Gemälde kopiert, sondern ließ meine Hand einfach machen. Es sind Erfindungen in seinem Stil. Das Bild in der Mitte muß so etwa aus den Jahren 1908/09 sein, das Bild links aus den Jahren 1920/23 und das Bild rechts aus den Jahren 1946/48. Das ist putzig, weil das Gemälde ja aus der Zeit des linken Bildes zu sein vorgibt. Haben Sie die Zigarette in seiner Hand bemerkt?
Ich halte es für vollkommen angemessen, daß ein junger Künstler durch seine Lehrer beeinflußt wird, da diese ihm als Persönlichkeiten begegnen und die großen Meister der Vergangenheit in der Regel nur aus Reproduktionen bekannt sind. Gestern erwähnte ich Arbeiten von Picasso, die den Einfluß anderer zeigen. Im Alter soll Picasso gesagt haben: “Ein Maler, das ist im Grunde ein verhinderter Sammler, der sich die Bilder nicht leisten kann, die er gerne hätte - also malt er sie sich selbst. Aber das funktioniert nicht, das Ergebnis ist immer ein neues Werk von ihm selbst!”
Das stimmt, Sie sind nicht jemand anders, deshalb funktioniert auch eine Fälschung nicht, irgend jemand wird immer in der Lage sein, das zu spüren. Der berühmteste Fälscher, von dem ich weiß, Han van Meegeren, Fälscher von Vermeer und anderen, verwirrte alle Experten und mußte sich selbst anzeigen. Das verstehe ich nicht. Seine “Vermeers” können niemals als Vermeers mißverstanden werden. Die Experten waren so erpicht darauf, sich einen Namen zu machen, indem sie einen neuen Vermeer entdecken, daß sie sich selbst reingelegt haben. In diesem Sinn ist bei meinen Arbeiten von Interesse, wieweit sie sich von Picasso unterscheiden.
Das betrifft natürlich Picasso ebenso. Im Art Journal spreche ich über das Gemälde Bathseba von Rembrandt. Es gibt eine Paraphrase von Picasso zu diesem Gemälde, die seine Grenzen zeigt. Er verstand Bathseba überhaupt nicht, er konnte damit nichts verbinden, stattdessen malte er ein riesiges Schmierakel, ein Zeugnis seiner Inkompetenz in diesem Fall.
Wenn ich recht sehe, trifft dieser Vorwurf allerdings auf alle seine Paraphrase zu. (Zweifellos würde kein Experte sich trauen, so etwas zu sagen! Das könnte ja den Markt irritieren.) Er malte nur eine über Bathseba, aber Hunderte über Manets “Déjeuner sur l’Herbe”. Wenn Sie eines von diesen mit meiner Paraphrase vergleichen, sehen Sie den Unterschied. Nun gut, eigentlich sollte ich es selber demonstrieren, aber nicht jetzt.
Zu dieser Zeit dämmerte mir, daß ich in diesem Leben Maler sein müßte. Ich glaubte, meine Doktorarbeit in Mathematik abgeschlossen zu haben, aber es stellte sich heraus, daß ich einen entscheidenden Fehler an zentraler Stelle eingebaut hatte, was bemerkenswert war. Es dauerte nicht lange, bis ich verstanden hatte: Da gab es eine Seite in mir, die nicht wollte, daß ich diesen Weg weiter verfolgte. Schließlich nahm ich vollständig Abschied von der Mathematik und versuchte stattdessen, ein guter Lehrer zu werden (na klar, ich beseitigte den Fehler trotzdem).
Dieses Gemälde ist verkauft, an eine Kollegin der Schule, an der ich unterrichtete, als ich den Schuldienst quittierte, um Vollzeitkünstler zu werden. Welche Seite sie kaufen wollte oder ob sie beide mochte, als sie von der Rückseite erfuhr, weiß ich nicht.
Dieses Gemälde habe ich im Garten des Hauses gemalt, in dem ich als Student wohnte. Das Wetter war nicht so gut, also verzog ich mich in den Unterstand für das Auto, wenn es regnete. Das Bild ist mit Ölfarben auf Hartfaser gemalt. Bei Hartfaser kann man auch die Rückseite bemalen, auch hier ist ein Gemälde auf der Rückseite, nämlich eine Paraphrase einer Paraphrase von Picasso über das “Frühstück im Grünen” von Manet. Ich war inzwischen knapp bei Kasse und sparte am Material, und kurze Zeit später benutzte ich Lackfarben aus der Dose, die viel billiger sind als Künstlerfarben. Meine ersten großen Gemälde sind mit Lackfarben auf Hartfaser gemalt, und viele davon sind heute durch Lagerprobleme in kalten und feuchten Wintern zerstört.
Offensichtlich beschäftigte ich mich mit Picasso. Ich bin kein Karikaturist, ich könnte niemals ein solches Gemälde malen, wenn ich es wollte. Aber hier, wie immer, malte ich einfach drauf los und sah erst hinterher, daß es Picasso und seine Frau Olga zu Beginn ihrer Ehe sind. Die Gemälde an der Wand sind natürlich Picassos, aber ich habe keines seiner Gemälde kopiert, sondern ließ meine Hand einfach machen. Es sind Erfindungen in seinem Stil. Das Bild in der Mitte muß so etwa aus den Jahren 1908/09 sein, das Bild links aus den Jahren 1920/23 und das Bild rechts aus den Jahren 1946/48. Das ist putzig, weil das Gemälde ja aus der Zeit des linken Bildes zu sein vorgibt. Haben Sie die Zigarette in seiner Hand bemerkt?
Ich halte es für vollkommen angemessen, daß ein junger Künstler durch seine Lehrer beeinflußt wird, da diese ihm als Persönlichkeiten begegnen und die großen Meister der Vergangenheit in der Regel nur aus Reproduktionen bekannt sind. Gestern erwähnte ich Arbeiten von Picasso, die den Einfluß anderer zeigen. Im Alter soll Picasso gesagt haben: “Ein Maler, das ist im Grunde ein verhinderter Sammler, der sich die Bilder nicht leisten kann, die er gerne hätte - also malt er sie sich selbst. Aber das funktioniert nicht, das Ergebnis ist immer ein neues Werk von ihm selbst!”
Das stimmt, Sie sind nicht jemand anders, deshalb funktioniert auch eine Fälschung nicht, irgend jemand wird immer in der Lage sein, das zu spüren. Der berühmteste Fälscher, von dem ich weiß, Han van Meegeren, Fälscher von Vermeer und anderen, verwirrte alle Experten und mußte sich selbst anzeigen. Das verstehe ich nicht. Seine “Vermeers” können niemals als Vermeers mißverstanden werden. Die Experten waren so erpicht darauf, sich einen Namen zu machen, indem sie einen neuen Vermeer entdecken, daß sie sich selbst reingelegt haben. In diesem Sinn ist bei meinen Arbeiten von Interesse, wieweit sie sich von Picasso unterscheiden.
Das betrifft natürlich Picasso ebenso. Im Art Journal spreche ich über das Gemälde Bathseba von Rembrandt. Es gibt eine Paraphrase von Picasso zu diesem Gemälde, die seine Grenzen zeigt. Er verstand Bathseba überhaupt nicht, er konnte damit nichts verbinden, stattdessen malte er ein riesiges Schmierakel, ein Zeugnis seiner Inkompetenz in diesem Fall.
Wenn ich recht sehe, trifft dieser Vorwurf allerdings auf alle seine Paraphrase zu. (Zweifellos würde kein Experte sich trauen, so etwas zu sagen! Das könnte ja den Markt irritieren.) Er malte nur eine über Bathseba, aber Hunderte über Manets “Déjeuner sur l’Herbe”. Wenn Sie eines von diesen mit meiner Paraphrase vergleichen, sehen Sie den Unterschied. Nun gut, eigentlich sollte ich es selber demonstrieren, aber nicht jetzt.
Zu dieser Zeit dämmerte mir, daß ich in diesem Leben Maler sein müßte. Ich glaubte, meine Doktorarbeit in Mathematik abgeschlossen zu haben, aber es stellte sich heraus, daß ich einen entscheidenden Fehler an zentraler Stelle eingebaut hatte, was bemerkenswert war. Es dauerte nicht lange, bis ich verstanden hatte: Da gab es eine Seite in mir, die nicht wollte, daß ich diesen Weg weiter verfolgte. Schließlich nahm ich vollständig Abschied von der Mathematik und versuchte stattdessen, ein guter Lehrer zu werden (na klar, ich beseitigte den Fehler trotzdem).
Dieses Gemälde ist verkauft, an eine Kollegin der Schule, an der ich unterrichtete, als ich den Schuldienst quittierte, um Vollzeitkünstler zu werden. Welche Seite sie kaufen wollte oder ob sie beide mochte, als sie von der Rückseite erfuhr, weiß ich nicht.
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