Wed 1 Aug 2007
“Das muß man doch sagen und schreiben!” hatte ich in meinem letzten Beitrag vor ein paar Tagen formuliert. Aber inzwischen denke ich darüber anders. Man muß überhaupt nicht darüber urteilen, wenigstens nicht öffentlich. Jeder bildet sich sowieso sein Urteil selbst, und wer heute nicht drauf kommt, sieht es vielleicht morgen, oder auch gar nicht. Warum sollte er auch? Im Gegenteil, er kann doch das hervorragend finden, was ich für völlig unmöglich halte, oder?
Es wäre außerdem denkbar, daß das von mir verworfene Werk eine Qualität enthält, die ich nicht wahrnehmen kann. Möglicherweise liegt diese völlig außerhalb meiner Möglichkeiten, oder aber ich könnte sie mir erschließen, wenn ich denn Zeit hätte und eine Gelegenheit sich ergäbe und ich genug Interesse aufbringen könnte. Ging es mir denn mit der Musik von » Miles Davis nicht ebenso? Hatte ich nicht mit seinen Werken Anfang der 70er Jahre, die ich heute für seine besten halte, anfangs die größten Probleme?
Vor ein paar Tagen habe ich es noch einmal mit » last.fm probiert und sie spielten zufällig ein mir wohlbekanntes Stück aus einem Fillmore-Album (» Black Beauty: Miles Davis at Fillmore West - ich glaube, es war » Spanish Key/The Theme). Das war die Musik, die damals hörte, und ich genoß sie wieder einmal sehr.
Anschließend habe ich mir bei Amazon angeschaut, was die Experten dazu sagen. Es ging wie Kraut und Rüben durcheinander. Manche fanden es schlecht, manche gut, die meisten fanden manches gut und vieles schlecht, und insbesondere der Saxophonist Steve Grossman wurde stark kritisiert. Ich konnte das nicht nachvollziehen, für mich war die Musik eigentlich jenseits der Kritik, einfach nur gut, so wie sie war. Der letzte Beitrag versucht ein bißchen zu vermitteln:
Das Besondere an der neuen Musik von Miles schien mir, daß er auf der Bühne seine Leute zunächst musikalisch durch forciertes Tempo und ständige Wiederholungen unter Druck setzte und dann schließlich den Druck wegnahm und die Musik fließen ließ. Das schien mir ein Trick zu sein, um die Musiker von links nach rechts zu bewegen, von der linken Gehirnhälfte in die rechte, vom Alltag in die Kreativität, von der sterilen Situation vor dem Auftritt in den abgehobenen Energiefluß der Gruppenimprovisation.
» David Liebman hat überliefert, wie absurd ihnen Miles vorkam, wenn er schon vor dem Auftritt versuchte, sie in Stimmung zu bringen, indem er etwa mit einem laut aufgedrehten Ghettoblaster über der Schulter in die Künstlergarderobe kam. Miles hatte offensichtlich Erfolg mit seiner Methode. Es ist allen sehr wohl aufgefallen, daß jeder mit Miles um Klassen besser spielte als in jeder anderen Formation, Liebman eingeschlossen, der anschließend an seine Zeit mit Miles versuchte, seine ersten eigenen Schritte zu gehen. Ich habe mir Liebmans Platten seinerzeit ebenfalls gekauft und sie gefielen mir nicht besonders. Er wollte wohl, aber er konnte nicht. Mit Miles konnte er.
Ich konnte ja damals auch nicht, und die offensichtliche Frechheit Picassos war es, die bei mir den Knoten zum Platzen brachte. Ich werde es natürlich nie vergessen, wie es passierte, und habe es vermutlich auch schon tausendmal erzählt. Für » Hockney war Picasso offenbar ebenfalls stimulierend, obwohl ich dessen Einfluß bei Hockney nicht erkennen kann. Hockney ist in meinen Augen jemand, der nie abgehoben hat. Aber das ist vielleicht auch wieder etwas, was unabänderlich ist.
So wie jeder nur so weit schauen kann, wie er sich selbst entwickelt hat, so kann man auch von niemandem verlangen, mehr zu geben, als er vermag. Es spricht also jeder nur über sich selbst, und letzten Endes offenbart auch der Kunstkritiker sich in seiner Flachheit oder Tiefe, Weisheit oder Oberflächlichkeit, die ihm gegeben ist und über die hinaus er sich hat nicht entwickeln können, genauso wie ein Künstler sich eben nur so weit entwickeln kann, wie in ihm angelegt ist. Gleichermaßen trifft es natürlich auch auf meine eigenen Gedankengänge zu. Ich kann nicht weiter schauen als mir heute möglich ist, und ich offenbare mich in meiner Beschränktheit durch meine Worte und Gedanken.
Vielleicht ist das wie mit der Kreativität - jeder möchte sie haben, aber keiner weiß, wie sie zu erlangen ist. Mit Gewalt geht es jedenfalls nicht, das ist lächerlich. Eher schon nach der Methode Miles Davis: Bringe dich in die richtige Stimmung und laß es fließen. » Paul Klee hat es ja versucht, aber so richtig überzeugend finde ich seine Sachen nicht. Natürlich habe ich mich bemüht, Paul Klee kennenzulernen und zu verstehen und ihm gerecht zu werden. Aber nein, das ist es nicht. Genausowenig wie » Max Ernst.
Das hat mich übrigens gewundert, daß » Werner Spies sich gleichermaßen für Max Ernst und für Picasso begeistern kann. Sicherlich spielt bei ihm die persönliche Bekanntschaft mit hinein, aber für mich sind das zwei Welten, die ich nicht leicht zusammenbringen kann, nicht nur weil sie auf unterschiedlicher Höhe angesiedelt sind.
» Max Beckmann habe ich ja sehr bewundert und er hat einmal geknurrt, man müsse den Schlüssel zu seinem Werk schon im Herzen tragen, sonst sähe man es nicht. Wir waren vor zehn Tagen in Amsterdam und haben uns die große » Beckmann-Ausstellung angeschaut, die bald nach München geht. Gut, daß Greta dabei war, die auf Beckmann besonders neugierig war, weil ich ihn immer so hochgehalten hatte. Sie fand ihn grottenschlecht.
In den neunziger Jahren war ich mal mit Elke in Stuttgart zu einer Beckmann-Ausstellung, und erinnere mich noch ganz gut, daß wir auch damals eher enttäuscht waren und seine Schwächen sehr deutlich sehen konnten. In Amsterdam war es besonders interessant, weil man von Beckmann zu van Gogh wechseln konnte und dadurch manches deutlicher sah. Beckmann ist einfach so ungeheuer gewollt und nicht gekonnt. Seine unsäglichen Hände und Füße hatten mich schon immer gestört, aber erst durch Gretas Kommentare konnte ich Abstand gewinnen und sie wirklich einfach als das sehen, was sie sind, nämlich Murks. Eine heilsame Ent-Täuschung!
Zuhause habe ich mir dann die Gegenüberstellungen, die ich 1997 im » Pablo Journal gewagt hatte, ausgedruckt und an die Wand gehängt » Beckmanns Carnival gegenüber 223, » Picassos La Vie mit 224 , » Beckmanns Argonauten-Triptychon mit meinem ersten 572-574 (wegen der Haie von der VG BildKunst habe ich die Bilder der Kollegen online herausnehmen müssen - man muß sie sich also im Internet zusammensuchen). Tja, interessant. Nicht nur, daß die Bilder den Vergleich aushalten, sie sind besser. Nicht gewollt, aber gekonnt. Bekanntlich bilde ich mir nichts darauf ein, weil ich weiß, daß diese Bilder nicht mein Verdienst sind. Es ist wie bei Miles Davis: Wenn der Musiker spielt - wer spielt dann? Wenn er es selber wäre, könnte er es ja auch ohne Miles, nicht wahr? Kann er aber nicht.
Es wäre außerdem denkbar, daß das von mir verworfene Werk eine Qualität enthält, die ich nicht wahrnehmen kann. Möglicherweise liegt diese völlig außerhalb meiner Möglichkeiten, oder aber ich könnte sie mir erschließen, wenn ich denn Zeit hätte und eine Gelegenheit sich ergäbe und ich genug Interesse aufbringen könnte. Ging es mir denn mit der Musik von » Miles Davis nicht ebenso? Hatte ich nicht mit seinen Werken Anfang der 70er Jahre, die ich heute für seine besten halte, anfangs die größten Probleme?
Vor ein paar Tagen habe ich es noch einmal mit » last.fm probiert und sie spielten zufällig ein mir wohlbekanntes Stück aus einem Fillmore-Album (» Black Beauty: Miles Davis at Fillmore West - ich glaube, es war » Spanish Key/The Theme). Das war die Musik, die damals hörte, und ich genoß sie wieder einmal sehr.
Anschließend habe ich mir bei Amazon angeschaut, was die Experten dazu sagen. Es ging wie Kraut und Rüben durcheinander. Manche fanden es schlecht, manche gut, die meisten fanden manches gut und vieles schlecht, und insbesondere der Saxophonist Steve Grossman wurde stark kritisiert. Ich konnte das nicht nachvollziehen, für mich war die Musik eigentlich jenseits der Kritik, einfach nur gut, so wie sie war. Der letzte Beitrag versucht ein bißchen zu vermitteln:
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Das Besondere an der neuen Musik von Miles schien mir, daß er auf der Bühne seine Leute zunächst musikalisch durch forciertes Tempo und ständige Wiederholungen unter Druck setzte und dann schließlich den Druck wegnahm und die Musik fließen ließ. Das schien mir ein Trick zu sein, um die Musiker von links nach rechts zu bewegen, von der linken Gehirnhälfte in die rechte, vom Alltag in die Kreativität, von der sterilen Situation vor dem Auftritt in den abgehobenen Energiefluß der Gruppenimprovisation.
» David Liebman hat überliefert, wie absurd ihnen Miles vorkam, wenn er schon vor dem Auftritt versuchte, sie in Stimmung zu bringen, indem er etwa mit einem laut aufgedrehten Ghettoblaster über der Schulter in die Künstlergarderobe kam. Miles hatte offensichtlich Erfolg mit seiner Methode. Es ist allen sehr wohl aufgefallen, daß jeder mit Miles um Klassen besser spielte als in jeder anderen Formation, Liebman eingeschlossen, der anschließend an seine Zeit mit Miles versuchte, seine ersten eigenen Schritte zu gehen. Ich habe mir Liebmans Platten seinerzeit ebenfalls gekauft und sie gefielen mir nicht besonders. Er wollte wohl, aber er konnte nicht. Mit Miles konnte er.
Ich konnte ja damals auch nicht, und die offensichtliche Frechheit Picassos war es, die bei mir den Knoten zum Platzen brachte. Ich werde es natürlich nie vergessen, wie es passierte, und habe es vermutlich auch schon tausendmal erzählt. Für » Hockney war Picasso offenbar ebenfalls stimulierend, obwohl ich dessen Einfluß bei Hockney nicht erkennen kann. Hockney ist in meinen Augen jemand, der nie abgehoben hat. Aber das ist vielleicht auch wieder etwas, was unabänderlich ist.
So wie jeder nur so weit schauen kann, wie er sich selbst entwickelt hat, so kann man auch von niemandem verlangen, mehr zu geben, als er vermag. Es spricht also jeder nur über sich selbst, und letzten Endes offenbart auch der Kunstkritiker sich in seiner Flachheit oder Tiefe, Weisheit oder Oberflächlichkeit, die ihm gegeben ist und über die hinaus er sich hat nicht entwickeln können, genauso wie ein Künstler sich eben nur so weit entwickeln kann, wie in ihm angelegt ist. Gleichermaßen trifft es natürlich auch auf meine eigenen Gedankengänge zu. Ich kann nicht weiter schauen als mir heute möglich ist, und ich offenbare mich in meiner Beschränktheit durch meine Worte und Gedanken.
Vielleicht ist das wie mit der Kreativität - jeder möchte sie haben, aber keiner weiß, wie sie zu erlangen ist. Mit Gewalt geht es jedenfalls nicht, das ist lächerlich. Eher schon nach der Methode Miles Davis: Bringe dich in die richtige Stimmung und laß es fließen. » Paul Klee hat es ja versucht, aber so richtig überzeugend finde ich seine Sachen nicht. Natürlich habe ich mich bemüht, Paul Klee kennenzulernen und zu verstehen und ihm gerecht zu werden. Aber nein, das ist es nicht. Genausowenig wie » Max Ernst.
Das hat mich übrigens gewundert, daß » Werner Spies sich gleichermaßen für Max Ernst und für Picasso begeistern kann. Sicherlich spielt bei ihm die persönliche Bekanntschaft mit hinein, aber für mich sind das zwei Welten, die ich nicht leicht zusammenbringen kann, nicht nur weil sie auf unterschiedlicher Höhe angesiedelt sind.
» Max Beckmann habe ich ja sehr bewundert und er hat einmal geknurrt, man müsse den Schlüssel zu seinem Werk schon im Herzen tragen, sonst sähe man es nicht. Wir waren vor zehn Tagen in Amsterdam und haben uns die große » Beckmann-Ausstellung angeschaut, die bald nach München geht. Gut, daß Greta dabei war, die auf Beckmann besonders neugierig war, weil ich ihn immer so hochgehalten hatte. Sie fand ihn grottenschlecht.
In den neunziger Jahren war ich mal mit Elke in Stuttgart zu einer Beckmann-Ausstellung, und erinnere mich noch ganz gut, daß wir auch damals eher enttäuscht waren und seine Schwächen sehr deutlich sehen konnten. In Amsterdam war es besonders interessant, weil man von Beckmann zu van Gogh wechseln konnte und dadurch manches deutlicher sah. Beckmann ist einfach so ungeheuer gewollt und nicht gekonnt. Seine unsäglichen Hände und Füße hatten mich schon immer gestört, aber erst durch Gretas Kommentare konnte ich Abstand gewinnen und sie wirklich einfach als das sehen, was sie sind, nämlich Murks. Eine heilsame Ent-Täuschung!
Zuhause habe ich mir dann die Gegenüberstellungen, die ich 1997 im » Pablo Journal gewagt hatte, ausgedruckt und an die Wand gehängt » Beckmanns Carnival gegenüber 223, » Picassos La Vie mit 224 , » Beckmanns Argonauten-Triptychon mit meinem ersten 572-574 (wegen der Haie von der VG BildKunst habe ich die Bilder der Kollegen online herausnehmen müssen - man muß sie sich also im Internet zusammensuchen). Tja, interessant. Nicht nur, daß die Bilder den Vergleich aushalten, sie sind besser. Nicht gewollt, aber gekonnt. Bekanntlich bilde ich mir nichts darauf ein, weil ich weiß, daß diese Bilder nicht mein Verdienst sind. Es ist wie bei Miles Davis: Wenn der Musiker spielt - wer spielt dann? Wenn er es selber wäre, könnte er es ja auch ohne Miles, nicht wahr? Kann er aber nicht.
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