Ursprünglich 1998 publiziert als » Daily Drawing Nr. 31


Und noch einmal ein Werk zurück. Dies wurde unmittelbar vor dem gestrigen Bild gemalt. Die Leinwand ist übervölkert. Ein sehr steiles Hochformat. Vielleicht können Sie es nicht erkennen, aber eine Schlange ringelt sich um den Kopf des Helden und ein dunkelgrünes Biest sitzt auf seiner Schulter. Es wird von der jungen Blonden liebkost und ist kein Drache, kein Teufelshund, es ist eine Katze.

Die Katze sind wirklich katzenmäßig aus. Das ist eines der Wunder dieser Welt: Alles ist extrem eigenartig in seiner Erscheinungsform, man weiß sofort, was es ist, oder besser gesagt: Die rechte Gehirnhälfte weiß es.

Man sieht nur den Schatten oder die Silhouette oder nur einen Teil des Objektes und weiß: Das ist es. Man kann sogar hingehen und es verzerren, was die Essenz der Karikatur ist, und immer noch weiß man: Dies ist charakteristisch und spezifisch für das.

Man kann durch Verzerrungen oder Erfindungen von Sonderformen für bekannte Objekte sogar Vergnügen hervorrufen, und das ist das täglich Brot unserer Cartoonisten, die ihr Brot damit verdienen, Leuten Vergnügen zu bereiten, womit meine Behauptung bewiesen ist.

Dies ist ein Beispiel aus » Ted Goff: Niemand sieht wie diese Leute aus, und gerade darum geht es.

Die Moderne Kunst hat durch die Erfindung von Formen sehr viel Kraft gewonnen, viel mehr als die ältere Kunst. Na ja, das ist nicht ganz richtig. Ich muß diese Aussage auf die Zeit von der Renaissance bis zum Ende des 19. Jahrhunderts beschränken. Ägyptische Kunst ist überhaupt nicht realistisch und hat starke Formen für alle Arten von Objekten erfunden. Die mittelalterliche Kunst hat mächtige Formen entwickelt, meistens für religiöse Themen. Die östliche Kunst hat Ikonen entwickelt, die fernöstliche Kunst ist der westlichen Welt insbesondere durch die japanischen Holzschnitte bekannt, die ihrerseits die westliche Kunst seit dem Ende des letzten Jahrhunderts beeinflußt haben.

Natürlich erfindet die realistische Kunst ebenfalls Formen, und man kann die Vielfalt der Formen bei jeder Ansammlung von Menschen studieren. Sonntags, wenn ich den Rollstuhl meines Vaters durch den Park des Kurorts schiebe, in dem er lebt, genieße ich die Vielfalt der Gesichter und Körper sehr, die ich währenddessen sehe.

Eine Zeichnung von Leonardo da Vinci fällt mir zu dem Thema ein, wo er extreme Gesichtsformen studiert, aber ich konnte sie in meiner Bibliothek nicht finden, also befragte ich das Artchive von Mark Harden, aber er hatte sie auch nicht, doch Carol Gerten bringt eine Studie, die mein Argument belegen kann (klicken Sie auf das Bild, um die Vergrößerung von Carol zu bekommen).

In » Art Journal 1.3 und » Art Journal 1.4 spreche ich ausführlich über die Verzerrungen, die in der traditionellen Kunst benutzt werden, und was man damit erreichen kann, insofern ist nichts wirklich neu und fremd. Formen werden benutzt, um Aufmerksamkeit erregen, und die Erfindung von Formen macht Spaß und ist interessant, sogar die Industrie weiß das und investiert viel Geld in Design, weil Design verkauft.

Zurück zu unserer Katze in unserem Bild. Als ich alle meine Bilder zur Übersicht einscannte, begann ich auch zu kategorisieren. Es gibt eine Kategorie Tiere mit einer Unterkategorie Katzen. Das ist interessant. Mit einer solchen Kategorisierung kann man erkennen, wann bestimmte Motive zum ersten Mal auftauchen, wie sie später benutzt werden usw. Es gibt drei Gemälde mit einer Katze, dies ist das letzte und am meisten realistische. Die erste ist einfach eine Silhouette, die zweite eine Märchenkatze, die anscheinend einer Wahrsagerin assistiert. Behalten Sie immer im Auge, daß ich nicht erfinde und illustriere, wie man etwa bei diesem Motiv annehmen könnte, sondern ich schaue zu, wie die Bilder kommen und bin genauso überrascht wie Sie.

Diese letzte Katze ist genauso wenig willkürlich skizziert wie alles andere auch. Verglichen mit den nächsten beiden Bildern (» Daily Drawing 1.29 und » 1.30) darf man annehmen, daß diese Katze etwas Ähnliches repräsentiert wie der Drache oder der Teufelshund.

Was ich aber heute morgen die ganze Zeit zur Sprache bringen möchte ist die folgende Beobachtung: Sie wissen vermutlich inzwischen, daß ich Max Beckmann sehr bewundere. Er setzte ebenfalls Katzen in seinen Gemälden ein, und es ist sehr eigenartig, daß alle seine Katzen ausdrücklich als Katzen bezeichnet werden müssen. Man wundert sich, warum das so ist, und nach einigem Nachdenken überzeugen Sie sich, daß er eine Katze gemeint haben muß, aber diese Katze oder was immer es sein mag hat nicht viel Katzenmäßiges an sich. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele, Ausschnitte aus Gemälden, die man in voller Größe online betrachten kann, wenn man auf das Bild klickt:

Die erste sieht eher wie eine Meerkatze aus, die zweite kann überhaupt kaum als Katze erkannt werden. Als ich das während einer Ausstellung rund um sein berühmtes Meisterwerk “Die Nacht” in Düsseldorf bemerkte, wunderte ich mich, was das wohl bedeuten sollte.