Sat 24 Feb 2007
jUrsprünglich 1998 erschienen als » Weekly Work Nr. 40
In der letzten Woche habe ich über die Nanas und den Tarot-Garten von Niki de St.Phalle geschrieben und konnte darüber nichts im Internet finden. Das ließ mir keine Ruhe. Im Monday Magazine können Sie lesen, wie ich schließlich herausfand, daß Niki selbst eine Seite über den Tarot-Garten eingerichtet hat (» Nanas Celebrate The Secrets Of Life, Entwurf).
Komischerweise fand ich über einen Business Newsletter namens Silicon Valley Tarot ein weiteres Tarot. Im Gegensatz zu Nìkis Tarot, kann man sich diesem Tarot nicht recht aussetzen, und der künstlerische Wert ist ebenfalls ziemlich gering. Aber man kann es benutzen, obwohl man es nicht zu ernst nehmen darf.
In dieser Woche finde ich mich geschwächt. Ich engagierte mich ziemlich stark in einer Künstlerliste; die Diskussion war interessant, aber offensichtlich ziemlich ermüdend. Für mich sind die Dinge ziemlich klar. Ich gebe mein Bestes, Ihnen alles zu vermitteln, und da Sie nicht zurückschreiben, kann ich mich in der Illusionen wiegen, daß Sie mich verstehen.
In dieser Liste ist es offensichtlich anders. Erstens schreiben die anderen Leser zurück, zumindest einige. Außerdem sind anscheinend alle selber Künstler. Aber, da sie Zeitgenossen sind, sind sie noch verwirrter in Bezug auf Kunst als die allgemeine Öffentlichkeit. Wie kann das sein?
Über Kunst wird schon diskutiert, seit es schriftliche Aufzeichnungen gibt. Es scheint allerdings, daß die Unsicherheit in Bezug auf Kunst in unserer Zeit besonders groß ist. Sehr oft lese ich heutzutage den Ausdruck “Postmodernismus”. Anscheinend bezeichnete er diesen Zustand der Unsicherheit.
Alles scheint bereits getan und gesagt zu sein, nichts wirklich Neues zeigt sich, jede revolutionäre Idee scheint bereits vor dem Ersten Weltkrieg geboren und seither immer und immer wieder wiederholt und umformuliert und umerfunden und erweitert und ausgewertet und verwertet und ausgenutzt zu sein.
Das ist kein Spaß. Sie haben vermutlich von Marcel Duchamps gehört. Manche meinen, daß er der größte Künstler der Modernen Kunst ist. Er führte schon vor dem ersten Weltkrieg Kunst ein, die nur im Kopf des Künstlers existiert. Er erklärte Fabrikware zu Kunst, indem er sie signierte. Und noch mehr in dieser Richtung. Seine Arbeiten werden auf dem internationalen Kunstmarkt sehr hoch bewertet.
Vielleicht haben Sie auch von Joseph Beuys, dem deutschen Superstar mehrerer Documentas gehört, der Internationalen Kunstausstellung, die alle fünf Jahre in Kassel organisiert wird. Joseph Beuys gehört der Generation meines Vaters an, Marcel Duchamps der meines Großvaters. Jemand befragte Marcel Duchamps zu Joseph Beuys, und dieser antwortete: “Ich habe das alles schon vor 50 Jahren gemacht.” Das stimmt. Beuys war natürlich wütend.
Was für ein Schicksal für uns postmodernistische Künstler! Unsere Großväter brachen alle Regeln, bis das Brechen von Regeln zum künstlerischen Gesetz wurde. Wie lange kann man Regeln brechen?
Übriges trifft dasselbe auf die Musik zu. Nehmen Sie zum Beispiel John Cage. Der ist ein Meister im Regelbrechen. Aber ist es wirklich bereichernd, seiner Musik zuzuhören? In diesen Tagen brechen die Musiker sogar die Regel, daß neue Music schrecklich klingen und das Publikum verschrecken muß. Aber trotzdem: Ist es bereichernd, Musik von, zum Beispiel, Philip Glass or Terry Riley zu hören?
Es gibt eine Trennung im Musikmarkt. Die Verlängerung der klassischen Musik ist eine, Jazz und Popmusik eine andere mit eigenen Unterabteilungen (Dixieland, Swing, Bebop, Cool Jazz, Rock Jazz, Boogie, Blues, Country, Rock’n Roll, Blue Grass, Heavy Metal usw.).
Diese Trennung gibt es auch in den bildenden Künsten. Wenn Sie sich im Internet umtun, finden Sie viele Künstler, die immer noch mit populären Methoden und Themen arbeiten. Nette Landschaften, Porträts, Stilleben, Naturszenen usw. Es gibt einen Markt dafür, und wenn Sie Auktionen verfolgen, werden Sie sich wundern, welch hohe Preise für unbedeutende Gemälde des letzten Jahrhunderts gezahlt werden. Solche Sachen werden heute noch von ehrlichen Künstlern produziert, die mühsam um ihr Selbstbild kämpfen.
Eines meiner Journale heißt Creative Journal. Meine Absicht war, die Leser zur Produktion zu kriegen. Ich wollte nicht weitere Lektionen zu den vielen überall erhältlichen Lektionen über Perspektive oder was auch immer hinzufügen. Meine Frage ist: Was ist Kunst? Wie kann man Kunst produzieren? Wie kann man ein Künstler sein?
Gestern Abend fuhren wir zu einem Konzert von Harald Weiss nach Hannover. Er ist ein Komponist, Perkussionist, Darsteller, Regisseur, Stimmkünstler. Wie erlebten einen Soloauftritt mit zwei Steel Drums, einer Marimba, einem Telefon und einer Maske.
Der Künstler zeigte nicht Unmengen von Perkussionsinstrumenten. Er brillierte nicht durch virtuose Techniken. Trotzdem faszinierte er sein Publikum 70 Minuten lang. Am nächsten Tag spürte ich immer noch die Wucht seiner Wirkung. Ich weiß noch nichts darüber. Es ist da, ich spüre es sehr stark. Ich versuchte, darüber nachzudenken, aber es führte mich nirgendwohin.
Das ist unzweifelhaft Kunst. Wenn Sie darauf achten, werden Sie feststellen: Der Künstler ist immer genau auf der Höhe. Er handelt, als ob es sonst nichts gibt. Sie kommen nie auf die Idee, es sei nicht er, welche Rolle auch immer er spielt. Nichts kann ihn davon ablenken, seine Sache durchzuziehen.
Das ist aber noch nicht einmal typisch für Künstler. Es bezieht sich auf das Leben ganz allgemein. Leute, die sich mit Methoden zum richtigen Leben beschäftigen, verweisen manchmal auf Krieger. Ein Krieger weiß, daß der Tod immer nah ist. Es gibt keine Zeit für Nachlässigkeit in unserer kurzen Lebensspanne. Auch keine Zeit für Sorgen. Ein Krieger handelt die ganze Zeit, als ob das Nächste, was er tut, das Letzte in seinem Leben ist. Jede Handlung kann gute oder schlechte Konsequenzen haben und muß deshalb mit äußerster Sorgfalt ausgeführt werden. Ein Krieger hat nicht durch größere Kraft oder überlegene Waffen Erfolg, sondern wegen seiner überlegenen persönlichen Stärke. Alle östlichen Kampfkünste betonen diesen Aspekt.
Lassen Sie uns jetzt zum Bild dieser Woche zurückkehren. Ich habe alle Gesichter freigestellt. Sehen Sie, wie sie alle genau auf der Höhe sind? Man kann nicht ernsthafter schauen.
Schauen Sie sich jetzt diese Kreaturen an. Sie sind auch lustig. Aber vor allem auf den Punkt gebracht. Ich habe diese Figuren nicht erfunden. Sie tauchten auf und blieben bei mir. Sie zeigen sich nicht in jedem Bild, aber oft genug, um sie zu klassifizieren. Das weiße runde Mondgesicht scheint genau das zu sein. Die rote Schlange ist nicht allzu schwer zu entziffern. Der blaue Vogel ist rätselhafter, aber am verwirrendsten sind die amorphen Figuren, die oft in Gruppen von vier kommen. Der an der rechten Ecke hat eine Art von Aura, die bisher wohl einzigartig ist.
Gestern habe ich mich einem darstellenden Künstler ausgesetzt. Er hinterließ seine Wirkung bei mir, obwohl ich nicht verstehe, wie oder warum. Dieses Gemälde wird seine Wirkung bei Ihnen hinterlassen, obwohl Sie nicht verstehen werden, warum oder wie. Jedenfalls geht es mir so.
Komischerweise fand ich über einen Business Newsletter namens Silicon Valley Tarot ein weiteres Tarot. Im Gegensatz zu Nìkis Tarot, kann man sich diesem Tarot nicht recht aussetzen, und der künstlerische Wert ist ebenfalls ziemlich gering. Aber man kann es benutzen, obwohl man es nicht zu ernst nehmen darf.
In dieser Woche finde ich mich geschwächt. Ich engagierte mich ziemlich stark in einer Künstlerliste; die Diskussion war interessant, aber offensichtlich ziemlich ermüdend. Für mich sind die Dinge ziemlich klar. Ich gebe mein Bestes, Ihnen alles zu vermitteln, und da Sie nicht zurückschreiben, kann ich mich in der Illusionen wiegen, daß Sie mich verstehen.
In dieser Liste ist es offensichtlich anders. Erstens schreiben die anderen Leser zurück, zumindest einige. Außerdem sind anscheinend alle selber Künstler. Aber, da sie Zeitgenossen sind, sind sie noch verwirrter in Bezug auf Kunst als die allgemeine Öffentlichkeit. Wie kann das sein?
Über Kunst wird schon diskutiert, seit es schriftliche Aufzeichnungen gibt. Es scheint allerdings, daß die Unsicherheit in Bezug auf Kunst in unserer Zeit besonders groß ist. Sehr oft lese ich heutzutage den Ausdruck “Postmodernismus”. Anscheinend bezeichnete er diesen Zustand der Unsicherheit.
Alles scheint bereits getan und gesagt zu sein, nichts wirklich Neues zeigt sich, jede revolutionäre Idee scheint bereits vor dem Ersten Weltkrieg geboren und seither immer und immer wieder wiederholt und umformuliert und umerfunden und erweitert und ausgewertet und verwertet und ausgenutzt zu sein.
Das ist kein Spaß. Sie haben vermutlich von Marcel Duchamps gehört. Manche meinen, daß er der größte Künstler der Modernen Kunst ist. Er führte schon vor dem ersten Weltkrieg Kunst ein, die nur im Kopf des Künstlers existiert. Er erklärte Fabrikware zu Kunst, indem er sie signierte. Und noch mehr in dieser Richtung. Seine Arbeiten werden auf dem internationalen Kunstmarkt sehr hoch bewertet.
Vielleicht haben Sie auch von Joseph Beuys, dem deutschen Superstar mehrerer Documentas gehört, der Internationalen Kunstausstellung, die alle fünf Jahre in Kassel organisiert wird. Joseph Beuys gehört der Generation meines Vaters an, Marcel Duchamps der meines Großvaters. Jemand befragte Marcel Duchamps zu Joseph Beuys, und dieser antwortete: “Ich habe das alles schon vor 50 Jahren gemacht.” Das stimmt. Beuys war natürlich wütend.
Was für ein Schicksal für uns postmodernistische Künstler! Unsere Großväter brachen alle Regeln, bis das Brechen von Regeln zum künstlerischen Gesetz wurde. Wie lange kann man Regeln brechen?
Übriges trifft dasselbe auf die Musik zu. Nehmen Sie zum Beispiel John Cage. Der ist ein Meister im Regelbrechen. Aber ist es wirklich bereichernd, seiner Musik zuzuhören? In diesen Tagen brechen die Musiker sogar die Regel, daß neue Music schrecklich klingen und das Publikum verschrecken muß. Aber trotzdem: Ist es bereichernd, Musik von, zum Beispiel, Philip Glass or Terry Riley zu hören?
Es gibt eine Trennung im Musikmarkt. Die Verlängerung der klassischen Musik ist eine, Jazz und Popmusik eine andere mit eigenen Unterabteilungen (Dixieland, Swing, Bebop, Cool Jazz, Rock Jazz, Boogie, Blues, Country, Rock’n Roll, Blue Grass, Heavy Metal usw.).
Diese Trennung gibt es auch in den bildenden Künsten. Wenn Sie sich im Internet umtun, finden Sie viele Künstler, die immer noch mit populären Methoden und Themen arbeiten. Nette Landschaften, Porträts, Stilleben, Naturszenen usw. Es gibt einen Markt dafür, und wenn Sie Auktionen verfolgen, werden Sie sich wundern, welch hohe Preise für unbedeutende Gemälde des letzten Jahrhunderts gezahlt werden. Solche Sachen werden heute noch von ehrlichen Künstlern produziert, die mühsam um ihr Selbstbild kämpfen.
Eines meiner Journale heißt Creative Journal. Meine Absicht war, die Leser zur Produktion zu kriegen. Ich wollte nicht weitere Lektionen zu den vielen überall erhältlichen Lektionen über Perspektive oder was auch immer hinzufügen. Meine Frage ist: Was ist Kunst? Wie kann man Kunst produzieren? Wie kann man ein Künstler sein?
Gestern Abend fuhren wir zu einem Konzert von Harald Weiss nach Hannover. Er ist ein Komponist, Perkussionist, Darsteller, Regisseur, Stimmkünstler. Wie erlebten einen Soloauftritt mit zwei Steel Drums, einer Marimba, einem Telefon und einer Maske.
Der Künstler zeigte nicht Unmengen von Perkussionsinstrumenten. Er brillierte nicht durch virtuose Techniken. Trotzdem faszinierte er sein Publikum 70 Minuten lang. Am nächsten Tag spürte ich immer noch die Wucht seiner Wirkung. Ich weiß noch nichts darüber. Es ist da, ich spüre es sehr stark. Ich versuchte, darüber nachzudenken, aber es führte mich nirgendwohin.
Das ist unzweifelhaft Kunst. Wenn Sie darauf achten, werden Sie feststellen: Der Künstler ist immer genau auf der Höhe. Er handelt, als ob es sonst nichts gibt. Sie kommen nie auf die Idee, es sei nicht er, welche Rolle auch immer er spielt. Nichts kann ihn davon ablenken, seine Sache durchzuziehen.
Das ist aber noch nicht einmal typisch für Künstler. Es bezieht sich auf das Leben ganz allgemein. Leute, die sich mit Methoden zum richtigen Leben beschäftigen, verweisen manchmal auf Krieger. Ein Krieger weiß, daß der Tod immer nah ist. Es gibt keine Zeit für Nachlässigkeit in unserer kurzen Lebensspanne. Auch keine Zeit für Sorgen. Ein Krieger handelt die ganze Zeit, als ob das Nächste, was er tut, das Letzte in seinem Leben ist. Jede Handlung kann gute oder schlechte Konsequenzen haben und muß deshalb mit äußerster Sorgfalt ausgeführt werden. Ein Krieger hat nicht durch größere Kraft oder überlegene Waffen Erfolg, sondern wegen seiner überlegenen persönlichen Stärke. Alle östlichen Kampfkünste betonen diesen Aspekt.
Gestern habe ich mich einem darstellenden Künstler ausgesetzt. Er hinterließ seine Wirkung bei mir, obwohl ich nicht verstehe, wie oder warum. Dieses Gemälde wird seine Wirkung bei Ihnen hinterlassen, obwohl Sie nicht verstehen werden, warum oder wie. Jedenfalls geht es mir so.
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