Ursprünglich veröffentlicht 1998 als » Daily Drawing Nr. 19


Dies ist eines der großen Gemälde aus Lackfarben auf Hartfaser, über die ich gestern sprach. Es ist eine Grisaille, unter ausschließlicher Verwendung von Schwarz und Weiß. Es ist 150×160cm groß, also etwas größer als die Bathseba von Rembrandt, über die ich gerade im Art Journal schreibe. Der erste Rat dort lautete: “Es ist wichtig, sich die Größe eines Werkes vorzustellen. Man kann die Wirkung des Originals nicht aus einem Buch oder einen Monitor allein ablesen. Man muß sich den Raum, den das Bild erfordert, ebenfalls vorstellen, den Abstand, den man einnehmen wird, das Gefühl, das sich bei starker Annäherung einstellt, wie der Eindruck aus größerer Distanz sein mag.”

Dieses Bild bereitet den meisten Betrachtern keine Probleme. Sie fühlen sich wohl damit, weil man es leicht entziffern kann, so wie einen Comic oder Cartoon, die Verzerrungen oder Erfindungen sind alle gezähmt. Aber trotzdem ergibt sich etwas sehr Geheimnisvolles. Sie haben sicher bemerkt, daß ich meine Werke numeriere und nicht betitelte. Nur für diese Serie fühle ich mich genötigt, etwas Text hinzuzufügen.

Für die ersten drei Bilder habe ich sogar den Originalscan manipuliert, indem ich die Farben entfernte und das Bild anschließend unter Verwendung einer einzigen Farbe wieder einfärbte. Dann konnte ich darin aber keinen Sinn mehr erkennen, aber immer noch fühle ich mich bemüßigt, Text hinzuzufügen. Bei diesem Bild assoziiere ich eine Hochzeit oder eine Beerdigung, und entschied mich für eine Hochzeit. Aber wenn es eine ist, dann eine sehr merkwürdige.

Man könnte die linke, sitzende Frau als Braut auffassen, den rechten Mann mit den Blumen als Bräutigam, die anderen als Trauzeugen, Freunde des Paares. Aber die Stimmung ist eher die einer Beerdigung. Oder es könnte eine Hochzeit sein und etwas sehr Trauriges ist gerade geschehen. Wenn man sich die Gefühle von Bathseba vor Augen führt, kommt es mir so vor, als wäre es hier ganz ähnlich: Jede der Personen sinnt über die Konsequenzen der gerade abgelaufenen oder zu erwartenden Handlung nach, fühlt das volle Gewicht dieses Schrittes, der einen Mann und eine Frau zusammenbringen wird. Auf diesem Bilder sind sie noch streng getrennt und durch ihre Freunde auf Abstand gehalten, wobei die Männer wiederum von den Frauen durch eine kleine Distanz getrennt sind.

Wenn Sie das Leben so erlebt haben wie ich, können Sie die Jahre der Lebensfülle von Freude und Leid, Leben und Tod, Auf und Ab, Gesundheit und Krankheit spüren, die vor ihnen liegen, und anläßlich von Ritualen wie Hochzeiten kann man manchmal die Tiefe des Lebens spüren. Wir wollen alle glücklich sein und versprechen, uns gegenseitig glücklich zu machen, wir sprechen das bei der Hochzeitszeremonie sogar laut aus, und wir wissen, wie weit wir dieses Versprechen nicht einhalten konnten, weil wir einfach menschlich sind und unseren Weg durch den Haß finden müssen, wo wir lieben, und durch Gewalt, wo wir zärtlich sein sollten. In einer Welt der Dualität können wir nicht anders als in Schwarz und Weiß, Mann und Frau auseinanderfallen, alt impliziert jung, Licht hat keine Bedeutung ohne die Dunkelheit. Also wissen wir, daß wir vermutlich nicht ausschließlich gut sein können, sondern unsere geliebten Mitmenschen auch verletzen werden.

Es könnte uns sogar einleuchten, daß es gar keinen Sinn macht, nur einen Pol der Dualität zu betonen, Männer sind nicht wichtiger als Frauen und umgekehrt, das Leben verlangt, daß sie sich trennen und wieder treffen, wobei jeder von uns seinen einzigartigen Beitrag liefert, Licht ist nicht besser als Dunkelheit, und einige weise Leute wissen sogar, daß Liebe nicht besser ist als Haß, Leben nicht besser als Tod. Ich wußte natürlich nichts über solche Spekulationen, als ich das Bild malte.

In alten Chroniken findet man ein Leben in wenigen dürren Worten zusammengefaßt. Lesen Sie die kurze Biographie von Rembrandt in Art Journal 1.1: Können Sie ermessen, was dieser Mann erlebte? Schauen Sie sich seine Selbstporträts an: Sehen Sie die Tiefe des Lebens in seinem Gesicht? Betrachten Sie Bathseba: Sehen Sie, was er fühlte und durch sie ausdrücken konnte? Wenn man es auf diese Weise liest, ist es einfach zu verstehen. Erfahren Sie sich und dann drücken Sie Ihre Erfahrung aus. Was ich fand, ist aber etwas anderes: Ich erlebe durch die Malerei! Ich finde Dinge heraus, die ich wirklich vorher nicht wußte. Und manchmal brauche ich Jahre, um das zu erkennen. An dieses Bild habe ich nicht gedacht, seit ich es vor 15 Jahren verkauft habe. Und selbst davor habe ich nicht viel darüber nachgedacht.

Auch hier ist auf der Rückseite ein weiteres Bild, das ich sehr liebe. Die Kundin, die das Bild erwarb, mochte die Rückseite überhaupt nicht. Deshalb dachte ich über die Trennung der beiden Seiten nach oder über die Ablösung einer Seite, um sie auf eine andere Grundlage zu transferieren. Das ließ sich aber ohne Zerstörung nicht bewerkstelligen, deshalb gab ich auf. Die Rückseite ist vollkommen anders als dieses Bild. Vielleicht zeige ich es später einmal.