Art and commerce
Speech Lemgo 1985, Sparkasse not translated yet
Vorbemerkung
Der folgende Text ist ohne Datum. Er macht glaubhaft, daß die Ausstellung stattgefunden hat, sogar von einem Katalog ist die Rede. Allerdings kann ich mich an nichts erinnern. Die Sparkasse sieht sich außerstande, so weit zurückzuforschen. Ich pflege eine Rede erst kurz vor Ausstellungsbeginn zu entwerfen.
Mein Vater erinnert sich, daß ich von einer Autopanne auf der Fahrt von der Sparkasse Lemgo berichtet habe, ich soll da ein Bild oder Bilder transportiert haben. Es bleibt offen, ob es diese Ausstellung gegeben hat. Der Text ist trotzdem interessant.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir befinden uns hier an einem Ort des Geldes, nur ausnahmsweise und am Rande spielt Kunst hier eine Rolle. Für viele Leute hat Kunst mit Geld überhaupt nichts zu tun, für noch mehr ist Kunst vor allem mit viel Geld verknüpft; und oft finden sich beide Auffassungen im selben Menschen, ohne daß dieser sich darüber je gewundert hätte.
In einer Welt, die zumindest versucht, alles und jedes durch Geld zu regeln, wäre es sicher sehr verwunderlich, wenn die Kunst schlechthin eine Sonderrolle spielen könnte. Künstler haben sich vor nicht allzu langer Zeit als Handwerker gesehen und nicht viel hat sich seither geändert: Der Künstler stellt i.a. mit seiner Hände Arbeit Gegenstände her, meistens Einzelstücke, die er verkaufen muß, um leben und weitere Werke schaffen zu können.
Diese Darstellung ist einfach, einleuchtend und stimmig. Die Wirklichkeit sieht allerdings sehr viel anders aus. Es soll Bilder geben, die man gut verkaufen kann - leider handelt es sich dabei nicht um Kunst. Kunst kann man nur gut verkaufen, wenn man berühmt ist. Berühmt wird man, wenn man Kunst gut verkaufen kann. Das klingt wie ein unlösbares Problem, und fast ist es das auch.
Wenn Kunst verkauft wird, hat sie ihren Preis. So wie anderswo in der Freuen Marktwirtschaft richten sich Preise nach Angebot und Nachfrage, werden Preise manipuliert, Gerüchte gehandelt, Kartelle gebastelt, Absprachen getätigt, Karrieren gemanagt, Strategien ausgeheckt, eine Hand wäscht die andere, und wenn alles nichts nützt, muß Konkurs angemeldet werden. Die eben benutzte Sprache suggeriert allerdings ein falsches Bild: Es handelt sich nicht um Großunternehmen, sondern um Einzelpersonen.
Da ist zunächst der Produzent, der Künstler. Dieser eine stellt die zu verkaufende Ware her, es ist ja ein Wesensmerkmal von Kunst, daß sie von dieser Einzelperson selbst hervorgebracht wird, was sie mit ihrer Unterschrift, der Signatur, rechtsgültig bescheinigt. Werke mit Signatur liegen deshalb stets höher im Preis als solche ohne, was zuweilen bei Druckgrafik vorkommt. Der Künstler arbeitet mit vorindustriellen Produktionsmethoden, d.h. er kann im Laufe seines Lebens nur wenige Dinge herstellen: Seine Lebensproduktion wird von der Wochenproduktion eines Automobilwerks z.B. weit in den Schatten gestellt.
Der wichtigste Vermittler ist der Galerist, sozusagen der Groß- und Einzelhändler. Galeristen arbeiten i.a. mit ganz kleiner Belegschaft, so wie etwa die Mediziner auch. Kunsthistoriker und Kritiker, die für die Urteilsbildung wichtig sind, arbeiten ebenso mit eigener Feder und in eigener Verantwortung. Der Kunde schließlich ist entweder ein Privatmann, der eins der wenigen Einzelstücke erwirbt, die der Künstler überhaupt machen kann, womit sich schwerlich Dinge bewirken lassen, die die Gesamtwirtschaft zur Kenntnis nehmen würde, oder eines der wenigen öffentlichen Institute, Museen oder dergleichen, das der Kontrolle übergeordneter Gremien, nicht zuletzt der Öffentlichkeit selbst, unterliegt.
Der kommerzielle Aspekt des Kunstbetriebs spiegelt also die bekannten Gesetze und Mechanismen des Gesamtmarktes wider, nur sehr, sehr stark verkleinert. Eines der Gesetze des Marktes lautet, daß es fast unmöglich ist, sich den Gesetzen des Marktes zu entziehen. Preisgestaltung z.B. ist eins der schwierigsten Probleme in jeder Branche. Verkürzt gesagt: Ein Produkt verkauft sich nur, wenn es den richtigen Preis hat. Ist es zu teuer, versteht sich der Mißerfolg von selbst, ist es zu billig, wird der anvisierte Kunde verschreckt, weil er mangelnde Qualität befürchtet.
Sie werden sicher bemerkt haben, daß die hier ausgestellten Arbeiten mit Preisen versehen sind. Das soll darauf hinweisen, daß die Werke verkauft werden sollen, weil ich als Künstler von meiner Arbeit leben muß. Sie als potentieller Kunde reagieren nun auf diesen Preis und werden vielleicht sogar darüber reden.
Ich höre öfters, die Preise seien unverschämt hoch, die Kunst mache sich damit elitär, dabei habe sie doch soziale Verpflichtungen. Diese Meinung wird von Leuten vertreten, die keinen Einblick in das Marktgeschehen haben. Sie haben auch deshalb keinen Einblick, weil sie sowieso keine Kunst kaufen, deshalb keine Preisübersicht und auch kein Urteilsvermögen haben. Um ein drastisches Beispiel zu wählen: Wer sich über den Preisunterschied zwischen Porsche 928 und Granada 2.8 GLIXYZ wundert, kann kein Autokenner sein.
Auf der anderen Seite sind es selten die Leute mit dem dicksten Geld, die Kunst kaufen. Noch deutlicher: Es kann nicht jeder auch schon Kunst kaufen, der das nötige Geld dazu hat. Manch einer kauft Kunst, der es sich eigentlich nicht leisten kann. Dieses Phänomen ist wiederum auf dem Automarkt sehr bekannt, die ganze Industrie lebt ja gut davon, daß viele über ihre Verhältnisse fahren. Übrigens: Die Sparkasse gibt gern das Geld dazu! Aber fragen Sie mal, ob man Ihnen Geld leiht, weil Sie ein Kunstwerk kaufen wollen!
Obwohl es sich also bei der ganzen Branche um eine Angelegenheit ganz weniger Menschen handelt, die so gar nicht in unsere Welt der Massenproduktion und des Massenverbrauchs passen will, erfreut sich die Kunst, ob alt, ob jung, einer regen Aufmerksamkeit breitester Massen. Aufhänger sind, wen wundert's, oftmals die Sensationsmeldungen von Versteigerungs-, Besucher-, Umsatz-, Preisentwicklungsrekorden. Aber auch diese gehen ja zurück auf ein Interesse, das an Breite gewinnt. Wenn ein Maler wie Paul Wunderlich für ein Gemälde in einer Größe, das bei mir 7.000,- kostet, 80.000,- fordert und bekommt, so hängt das schlicht und einfach damit zusammen, daß inzwischen so viele Menschen ein Bild von Wunderlich kaufen wollen, daß auch einer dabei ist, der 80.000,- bezahlen will und kann, nicht nur einer, sondern mehrere, und der erste, der sich entschließt, kann es erwerben. Angebot und Nachfrage.
Ja und Nein. Denn hier rückt nun ein Aspekt ins Blickfeld, der mit Kunst weniger zu tun hat. Um 80.000,- für Wunderlich auszugeben, muß man weder von Kunst etwas verstehen noch Wunderlichs Bilder überhaupt mögen. Denn in dieser Größenordnung bekommen Sie mit dem Bild noch ganz andere Werte dazu.
Zunächst einmal ist das Geld recht gut angelegt. Wenn Sie 80.000,- haben und wissen nicht wohin damit, Ihre Sparkasse weiß Rat! Aktien, Spareinlagen, Wertpapiere, Gold, Immobilien, für Schmuck und Edelsteine ist der Juwelier zuständig, und dann? Kaufen Sie Wandaktien! Das sind Gemälde oder sonstige Kunstgegenstände, deren Preisentwicklung so weit überschaubar ist, daß Sie erstens das Objekt jederzeit wieder veräußern können, und zweitens das Kursrisiko kalkulierbar ist. Immobilien sind bekanntlich nicht schnell veräußerlich, meistens auch wenig ertragreich, aber ziemlich sicher. Kunst kann dagegen in vielen Fällen irrsinnige Gewinne erzielen, dafür ist das Risiko oft besonders hoch. Im Falle Wunderlichs etwa wäre der Einsatz hoch, das Risiko gering, eine Wertsteigerung sehr wahrscheinlich, allerdings kaum spektakulär. In meinem Fall wäre der Einsatz gering, das Risiko für den blutigen Laien kaum abschätzbar, die Wertsteigerung dagegen möglicherweise gigantisch.
Aber wie Sie sehen, kommt man auch im Fall einer Geldanlage nicht darum herum, sich mehr oder weniger Sachkenntnis anzueignen, wie könnten Sie sonst den Fall Wunderlich oder irgendeinen anderen beurteilen. Das wäre allerdings auch nicht anders, wenn Sie Aktien, Gold oder Immobilien kaufen wollten. Natürlich gibt es Fachleute, auch hier im Hause, das Restrisiko muß aber jeder selbst tragen.
In meinem Fall hat bisher noch keiner aus Spekulation gekauft. Ich vermute sogar, daß die verkauften Bilder nicht einmal zu Spekulationspreisen wieder veräußerlich wären, weil die Käufer ihr Herz daran gehängt haben - man kann eben nicht alles kaufen, manches um alles Geld der Welt nicht.
Aber der strapazierte Wunderlich bietet noch etwas: Prestige. Wenn Sie den bei sich zu hause oder im Geschäft aufhängen, zeigen Sie Kunstkennerschaft, Exklusivität, höchste Wohn- und Lebensansprüche, Reichtum. Exklusivität ist in unserer Welt a8ußerhalb der Kunst kaum zu finden. Alle Produkte unserer Zivilisation sind Massenprodukte: Selbst wenn Sie ein Nobelauto für einige zigtausend Mark zusätzlich aufmöbeln lassen, sind Sei nur einer von vielleicht 20 oder 50, die das Gleiche haben. Der Wunderlich hingegen ist ein Unikat, den besitzen Sie wirklich exklusiv. Das ist nämlich auch eine Funktion von Kunst: Andere auszuschließen, sich abzusetzen, sich selbst als Konsument in besonderer Weise zu erfahren.
Da meine Bilder weder in den einschlägigen Kreisen wie ein Markenzeichen bekannt noch teuer genug sind, bieten sie diese Nebeneffekte des Kunstbesitzes nicht in dem Maße wie diejenigen Wunderlichs. Sie schlagen trotzdem voll zu Buche, möglicherweise allerdings zunächst in negativer Weise.
Ich stell mir z.B. vor, wie ungewohnt, aggressiv oder gewaltig meine Bilder auf Sie beim ersten Anblick gewirkt haben, so daß Sie selbst bei Gefallen ausschließen konnte, jemals damit leben zu könne oder zu wollen. Nehmen wir an, Sie überwinden die Anfangsschwierigkeiten, weil Sie in den nächsten Wochen öfters hier im Hause zu tun haben, sich einsehen und eingewöhnen, und gegen Ende der Ausstellung liebäugeln Sie mit dem Gedanken eines Erwerbs.
Sie selbst hätten damit eine Entwicklung hinter sich: Wie stünde es aber mit Ihrer Familie? Wie würden die Verwandten, die Freunde, die Geschäftspartner, die für Sie wichtigen Kreise reagieren, wenn diese bei einem Besuch mit dem betreffenden Bild konfrontiert würden? Sie würden dann Ihre Entscheidung rechtfertigen müssen, weil Sie sich eine Exklusivität gegeben haben, die den anderen bedrohlich erscheinen kann, die diesen nicht nachvollziehbar ist.
Da ich als Künstler mir all dieser Schwierigkeiten bewußt bin, können Sie sich vorstellen, daß der Schritt in die Professionalität nicht leichtfertig vollzogen wird. In meinem Fall habe ich z.B. eine Beamtenposition aufgegeben, um Künstler im Hauptberuf zu werden. Das ist für Viele ganz unverständlich. Zunächst mögen Sie mir die abgegriffene Formel abnehmen, daß ich meines Lebens nicht mehr froh wurde, wenn ich nicht meine Bilder malen konnte, und das ließ sich nicht mir einem anderen Beruf vereinbaren.
Das könnte ja aber mein privates Problem sein, mit dem ich irgendwie fertig zu werden hätte. Ich wäre ja nicht der erste hungerleidende Künstler, bedeutend oder nicht. Nun werden sicher viele von Ihnen zustimmen, daß die Menschheit um Vieles ärmer wäre, wenn einzelne Künstler nicht hätten leben und arbeiten können, denken Sie an van Gogh, Mozart, Rilke oder an wen Sie wollen.
Ich bin mir des Wertes und der Wichtigkeit meiner Arbeit voll bewußt und gedenke, es nicht auf mildtätige Unterstützung von Anverwandten, Freunden oder sonstigen Geldgebern ankommen und der Nachwelt zu überlassen, meine Arbeit auch kommerziell auszuwerten. Einem Handwerker oder Unternehmer, von Arbeitern ganz zu schweigen, wird wohl niemand übelnehmen, daß er von seiner Arbeit leben will. Beim Künstler hört es sich allerdings immer noch höchst anrüchig an. Dem ein wenig abzuhelfen sollte meine Rede dienen.
Was nun meine Arbeit betrifft, so habe ich mich über verschiedene Aspekte meines Werkes bereits gelegentlich geäußert, Sie können davon etwas im Katalog dieser Ausstellung, der durch das großzügige Angebot der Sparkasse ermöglicht wurde, nachlesen. Hier in Kürze nur dies: Meine Bilder stehen in engem Bezug zu grundlegenden Problemen und Wandlungen unserer Zeit. Sie weisen durch das Medium Kunst auf Wesentliches, Zukünftiges, das Individuum Betreffendes, und sind daher sowohl für die Gesellschaft als Ganzes als auch für jeden Einzelnen bedeutsam.
Sowohl dies letztere als auch die vorangegangene Erörterung bezieht sich gleichfalls auf meine Kolleginnen Eva-Maria Herbold und Sabine Hoppe, über die Sie ebenfalls etwas im Katalog finden. Das uns verbindende gemeinsame Anliegen war der Grund und Anlaß für diese gemeinsame Ausstellung.
Ich wünsche Ihnen zum Abschluß, daß Sie Zugang finden mögen zu unserer Kunst und diese Ihr Leben langfristig bereichern möge. Denn dies ist der Sinn der Kunst, den all das Gerede um Geld nicht verdunkeln kann.
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