Bathshebastory, Oeuvre Werkschau joe


Die Geschichte zum Bild

Ursprünglich auf englisch veröffentlicht unter » Joe's Art Journal No. 5, Aug 20, 1998  zurück  weiter



Bisher habe ich nur über das gesprochen, was aus dem Bild unmittelbar ersichtlich ist. In gewisser Weise ist dieses Bild aber auch eine Illustration und eine Interpretation. Der Titel deutet das an, es ist ein wichtiger Aspekt des Bildes, also muß die Geschichte erzählt werden.



Rembrandt begann sehr ambitioniert: Er wollte ein Historienmaler sein im Gegensatz zu jemandem, der Stilleben, Landschaften oder Porträts malt, wobei diese Spezialisierungen jeweils höher angesehen waren, mit der Historienmalerei als Krönung. Sein erstes großes Geld verdiente er als Porträtmaler, daneben malte er aber auch immer biblische Szenen und war auch damit erfolgreich. Bathseba bezieht sich auf eine Geschichte, die im Alten Testament erzählt wird. Wie üblich, ist die Erzählung knapp, die Worte aber sind sehr eindrucksvoll. Ich werde sie mit eigenen Worten nacherzählen, da mir eine englische Bibel nicht zur Verfügung steht.



König David (2. Samuel, 11, 1-27) schickte seine Soldaten in den Krieg. Eines Tages entdeckte er vom Dach seines Palastes eine schöne Frau beim Baden. Sie wurde als Bathseba identifiziert, verheiratet mit dem Hethiter Urija. Er schickte nach ihr und nahm sie mit in sein Bett. Sie hatte sich gerade nach ihrer Menstruation gereinigt. Anschließend entließ er sie und sie wurde schwanger (wie wir alle wissen, kann das nicht sein, aber die Bibel ist hier detailversessen). Das ließ sie David wissen und ihm wird klar, daß er in Schwierigkeiten ist. Daraufhin schickt er seinem kriegführenden General Joab eine Nachricht und beordert Bathsebas Ehemann Urija zu sich; dieser kämpft offensichtlich für David.



Michelle Hammond schreibt am Dienstag, 14.03.2000:





Doch, das ist sehr wohl möglich und sogar wahrscheinlich. Eine menstruierende hebräische Frau galt sieben Tage nach dem Ende der Blutungen als unrein (das Bad war irrelevant, sie reinigte sich einfach). Die meisten Frauen menstruieren sieben Tage. Der normale Zyklus hat 28 Tage, vom ersten Tage der Blutungen gezählt, der 14. Tag ist der Eisprung und hier ist die Empfängnis am wahrscheinlichsten. Also... sieben Tage Blutungen, sieben weitere Tage bis zur Aufhebung der Unreinheit... das sind 14 Tage. Es war also höchst wahrscheinlich, daß sie schwanger werden würde, wenn sie sich David hingäbe, da sie genau im 14. Tag ihres Zyklus war.





Vielen Dank, Michelle!


David plaudert ein bißchen mit Urija und schickt ihn dann nach Hause, um seine Füße zu reinigen. Er schickt ihm sogar ein Geschenk hinterher. Urija scheint aber zu durchschauen, was hier vorgeht, und lehnt es ab, seinen Teil in dieser Schmierenkomödie zu spielen und als Vater von Davids Kind aufzutreten. Er schläft bei den Dienern von David und betritt sein eigenes Haus nicht. Das wird David hintergebracht. Der läßt Urija daraufhin noch einmal kommen und fragt ihn offen, warum er nicht in sein eigenes Haus geht. Pathetisch antwortet dieser, daß Juda und der Stamm Israel in Hütten wohnt, sein General Joab und seine Kameraden aber im Feld liegen, also werde er nicht heimgehen und essen und trinken und mit seiner Frau schlafen. Und er schwört bei seiner eigenen und bei Davids Seele, daß er das nicht tun wird.



David befiehlt ihm, einen weiteren Tag zu bleiben, lädt ihn zum Essen ein und macht ihn betrunken. Urija bleibt trotzdem bei den Dienern und geht nicht heim. Am nächsten Tag schreibt David einen Brief an Joab, den Urija überbringen soll. Er weist Joab an, Urija an die Front zu schicken und dann die anderen Soldaten zurückzuziehen, damit Urija mit Sicherheit den Tod findet. Joab richtet das so ein, Urija stirbt und David erhält die entsprechenden Nachrichten. Joab schärft dem Überbringer der Nachricht ein, sich auf Schelte gefaßt zu machen, sich aber trotzdem nicht zu verteidigen, sondern einfach zu sagen: Außerdem ist Dein Diener, der Hethiter Urija, tot. Der tut das auch und wartet die Schelte erst gar nicht ab. David schickt ihn zurück, um Joab zu ermutigen, er solle diese Niederlage und diesen Verlust nicht zu tragisch nehmen, und findet sehr nette Worte dafür.



Als Bathseba vom Tod ihres Mannes hört, arrangiert sie eine Trauerfeier. Gleich nach Ablauf der Trauerzeit ließ David sie rufen, nahm sie zur Frau und sie gebar einen Sohn. Dem Herrn gefiel allerdings nicht, was David getan hatte.




Die Geschichte geht weiter - aber ich will mir das für die nächste Ausgabe aufsparen. Für dieses Mal ist es genug Material. Zunächst gilt es festzuhalten, daß die Bibel zwar von Briefen spricht, aber nicht davon, daß David einen Brief an Bathseba schrieb. Das ist eine Erfindung Rembrandts. Es wird auch nicht davon gesprochen, daß Bathseba nackt war.



Normalerweise wird die Szene so dargestellt, daß auch David im Bild erscheint, wie in der Lithographie, die Picasso als Paraphrase zu einem Gemälde von Lucas Cranach machte. Man sieht David ganz oben auf dem Dach, wie er auf Bathseba zeigt, die Augen vor Lust angeschwollen. Bathseba ist von ihren Ehrendamen umgeben, die alle die Kostüme aus Cranachs Zeit tragen. Keine Reinigung nach der Menstruation, einfach nur eine Fußwaschung, von der in der Bibel ebenfalls keine Rede ist.



Das ist natürlich ein schwacher Punkt in der Geschichte: Wie kann David sie überhaupt vom Dach seines Palastes gesehen haben? Aber im Grunde ist das nicht wesentlich. David wird durch sie schuldig, Bathseba ist nur ein Mittel und muß irgendwie in die Geschichte eingeführt werden. Ich habe gezählt, wie oft ihr Name in meiner Nacherzählung vorkam: Einmal am Anfang und einmal am Ende, öfter nicht.



Rembrandt faßt die Geschichte in einer Person zusammen, nämlich Bathseba, während die Magd nur Zutat und ebenfalls seine Erfindung ist. Beachten Sie, daß er sich auf eine Person konzentriert, die in der ganzen Geschichte nur eine beiläufige Stellung einnimmt, die nur Mittel ist und benutzt wird, die keine aktive Rolle spielt. Das ist nun wirklich eine sehr kühne Erfindung.



Er hätte genausogut Urija benutzen können, um diese Verwicklungen zu illustrieren. Und tatsächlich gibt es eine Zeichnung, die den Überbringer der Nachricht vom Tode Urijas mit seiner Rüstung als Todesbeweis zeigt, wieder eine Erfindung Rembrandts, abgekupfert vom Todesbeweis Josephs für dessen Vater Jakob. Als dritte Person taucht der Prophet Nathan auf, der David im Namen des Herrn mit seinen Missetaten konfrontiert. Hier aber ist David die Hauptfigur.



Wir sehen also, daß das Gemälde in keiner Weise die Geschichte der Bibel illustriert, da diese sich ganz klar auf David bezieht. Wenn wir es nicht wüßten, würden wir es niemals erraten. Die genaue Betrachtung des Bildes verriet uns aber viel mehr oder genauer etwas anderes als das, was die Bibel erzählt. Tatsächlich gibt es zwischen beiden nur wenige dürftige Gemeinsamkeiten.



Wenn man die Sache anders aufzieht, ergibt sich viel mehr Sinn: Die biblische Geschichte ist ein Ausgangspunkt, um die Gefühle in Bezug auf das eigene Leben zu verdeutlichen. In dieser Weise hat die Bibel vielen Menschen bei der Meisterung des Lebens geholfen, genauso wie andere Geschichten und Erzählungen und Romane und Dramen und Filme bis zum heutigen Tag. Wir identifizieren uns mit den Helden und finden uns in deren Erfahrungen wieder, so daß wir umgekehrt daraus lernen können.



Was immer wir selbst auf dieses Gemälde projizieren, Rembrandt malte mit Sicherheit seine eigene Geschichte. Natürlich benutzte er Davids Missetaten als eine Gelegenheit, seine Erfahrungen mit dem Körper einer Frau zu malen (vergleichen Sie meinen Kommentar zu » Rubens / Renoir, Pablo 1.2). Wenn man es von nahem betrachtet, zeigt es die Lust und Befriedigung, die durch den Körper gewährt wird. Es ist ein intimes, liebendes Bild, das man sich gar nicht aus der Ferne anschauen sollte. Es gibt aber auch dieses Gefühl von Kummer, das auf die bitteren Konsequenzen verweist. Liebe und Verlangen werden nicht unbedingt vom Gesetz bestraft, aber in diesem Fall haftet der Geschichte doch etwas Skrupelloses an, und das in Bezug auf die Schwangerschaft, die doch von der Sache her mit Liebe und Sexualität zu tun hat, selbst wenn man das heute kontrollieren kann (meistens). Erinnern Sie sich an die Biographie aus dem ersten Teil?



Im Jahr darauf, 1641, wurde Titus geboren, das einzige Kind, das das Säuglingsalter überlebte. Im nächsten Jahr starb sah Saskia; Titus war erst neun Monate alt. Rembrandt engagierte die Witwe Greetje Dirx für den Haushalt und die Kinderbetreuung; sie wurde vermutlich auch schnell seine Geliebte. Sieben Jahre später stieß eine junge Frau namens Hendrickje Stoffels dazu und wurde ebenfalls schnell Rembrandts Geliebte, woraufhin Greetje den Haushalt verließ und Rembrandt wegen eines gebrochenen Eheversprechens verklagte. Erst nach drei Aufforderungen erschien er vor Gericht. Er brachte es fertig, sie nicht heiraten zu müssen, mußte ihr aber einmalig 160 Gulden im Jahr 1649 zahlen und 200 Gulden in jedem Folgejahr bis zu ihrem Tode. Aus diesem Jahr ist kein einziges Werk von Rembrandt bekannt. Er ließ aber nicht locker und konnte sie durch Bestechung im nächsten Jahr in ein Zuchthaus einweisen lassen. Trotz seiner Drohungen wurde sie von Freunden 1655 befreit; sie scheint im Jahr darauf verstorben zu sein. Spätestens 1653 konnte er seinen Lebensstandard nicht mehr halten. Er schuldete immer noch 7.000 Gulden aus dem Kaufpreis, er schuldete die Zinsen und einen Teil der Steuern. Im Juli 1654 mußte sich Hendrickje bei der Kirchenleitung melden. Sie bekannte sich schuldig, mit Rembrandt in Sünde zu leben und wurde empfindlich bestraft. Im Oktober wurde ihre Tochter Cornelia geboren.


Dieses Gemälde ist im Jahr 1654 vollendet worden. Rembrandt war 48 Jahre alt. Er benutzte Davids Missetat mit Sicherheit als Gelegenheit, seine eigenen Erfahrungen mit Schuld zu malen.







 zurück  weiter





server time used 0.0771 s