Ursprünglich auf englisch veröffentlicht unter » Joe's Art Journal No. 2, Jul 30, 1998 › zurück › weiter Die Geschichte der Bathseba wurde oft benutzt, um die Schönheit eines nackten weiblichen Körpers zu zeigen. Dieser Körper ist wirklich schön, selbst wenn man diese Art von Körper nicht gewohnt ist und man die Schönheit nicht sofort bemerkt. Wenn man sich ein bißchen in das Bild vertieft und die kulturelle Verbildung beiseite schiebt, erkennt man, daß dieser Körper tatsächlich so schön ist, daß es fast wehtut, wenn man ihn mit den Augen eines Liebenden betrachtet. Aber die Größe dieses Bildes wird nicht durch die Schönheit des Körpers erzeugt. Das ist niemals der Fall, jedes Pinup-Mädchen beweist das. Ich werde auch nicht versuchen, mit technischen oder stilistischen Einzelheiten zu zeigen, warum dies ein so bedeutendes Gemälde ist, keineswegs altmodisch oder durch die moderne Malerei überholt, obwohl auch eine solche Untersuchung interessant wäre. Grundlegende Fragen Statt dessen werde ich mich auf die menschliche Dimension konzentrieren. Warum wird dieses Gemälde das Publikum auch noch in Hunderten von Jahren erreichen? Warum spricht es zu uns? Was erzählt es? Natürlich ist diese Frau aufs äußerste bewegt. Die Gefühle drücken sich in der gesamten Figur aus, besonders aber natürlich im Gesicht. Das Bild bezieht sich auf eine Geschichte in der Bibel, aber man muß diese Geschichte nicht kennen, um durch starke Gefühle bewegt zu werden. Wenn Sie sich ein bißchen Zeit nehmen, sehen Sie, daß es etwas sehr Großes, Tiefes, Umfassendes ist, das ihr Herz bewegt, genauer sind es gemischte Gefühle, so etwas wie Herzeleid, Sorgen, Schmerz, aber auch Liebe und Sehnsucht, vielleicht Überwältigung durch die Fülle des Lebens in seiner ganzen Pracht. Das sind die Gefühle einer Frau in ihren besten Jahren, einer erwachsenen Persönlichkeit im wahren Sinne des Wortes, einer weiblichen Person die zu ihrem Geschlecht steht und zu der Rolle, die sich daraus ergibt. Da wird nichts vorgetäuscht, es gibt nichts Aufgesetztes, sie ist wirklich präsent, ganz bei sich selbst, und diese Selbstgewißheit hat das Gewicht einer großen Person. Sie scheint etwas in ihrem Herzen zu bewegen, vielleicht ihr Leben, ihre Zukunft, ihren Liebhaber, ihre Kinder, ihr Schicksal, wir wissen es noch nicht, aber wir spüren keine alltäglichen Gedanken, keinen Druck, der sie von diesen schweren, ganz im Vordergrund stehenden Gefühlen ablenkt. Sie gibt sich ihnen hin, bekämpft sie in keiner Weise, taucht in diese Gefühle ein, versucht noch nicht einmal herauszufinden, was sie jetzt tun soll, sie ist absolut passiv und gibt sich den Gefühlen hin. Auch dadurch bringt sie ihre Weiblichkeit zum Ausdruck. |