Altar, Oeuvre Werkschau joe
 

 

Mond-Altar - Der Titel


Der Mond-Altar heißt probehalber Altar, weil er formal wie ein » Flügelaltar gebaut ist und auf drei seiner vier Schauseiten ein Mondgesicht zeigt. Der Titel ist also eher ironisch gemeint und unwesentlichen Einzelheiten geschuldet.

Das Werk ist gar kein Altar, nicht für eine Kirche gemacht und es geht auch nicht um eine kultische Verehrung des Mondes oder religiöse, gar konfessionelle Inhalte. Es war auch nicht meine Absicht, Mondgesichter unterzubringen, da ich mühsam gelernt hatte, völlig absichtslos zu malen. Vielmehr war es eine überraschende Entdeckung, diese Mondgesichter zu finden. Abgesehen von ihrer Existenz spielen sie eine durchaus untergeordnete Rolle in den Gemälden.

Die einzige Schauseite, die kein Mondgesicht zeigt, ist die erste, kleinste, die aus nur zwei Flügeln besteht. Da der Mond vier Phasen hat und in seiner ersten Phase nicht sichtbar ist, würde diese dem neuen Mond entsprechen, der nicht sichtbaren Phase. Diese Analogie hat sich bereits aus der Konstruktion ergeben, denn wie der Mond nimmt die Breite der Schauseiten zyklisch zu und wieder ab.

Der Anlaß war eher zufällig, die Realisierung abenteuerlich. Ich hatte jemandem das Phänomen der mittelalterlichen Triptychen erläutert. Das führte dann zu meinem ersten eigenen Triptychon. Aber diese mittelalterlichen Triptychen waren nicht zufällig dreiflügelig: Die beiden Außenseiten waren gewissermaßen Fensterläden, mit denen die Mitteltafel je nach festlichem Anlass verschlossen werden konnte. Der Wandel der Schauseiten war also liturgisch festgelegt.

Ein Anlass für den Wandel der Schauseiten meines Flügelaltars ist nicht erkennbar, es sei denn, man wollte die Schauseiten mit den Mondphasen synchronisieren. Dieses Werk wirft also noch mehr Fragen auf als andere. Daher ist ihm eine besondere Seite gewidmet.

Nicht zuletzt brauchte ich einen Titel, um die einzelnen Schauseiten, denen ich noch ad hoc eine Werknummer mit Bindestrich vergeben hatte, zusammenzufassen. Eine simple Konstruktion nach diesem Muster mit Bindestrich (578-592) hätte die Unterteilung in Schauseiten nicht ausdrücken können; allenfalls eine Gruppierung (578-579/580-583/584-589/590-592) wäre dem gerecht geworden, aber doch schwer zu lesen und zu interpretieren. Wer wollte eine solche Konstruktion gesprächsweise verwenden? Nein, zumindest in diesem Fall brauchte ich einen Titel, wenn auch informell.

Das Problem


Ein Wandelmechanismus war in modernen » modernen Triptychen (z.B. » Beckmann, » Dix) nicht mehr vorgesehen (womit sich auch das Problem des Wandels auflöste) und auch meine eigenen » Triptychen sind nicht dazu gedacht, geschlossen zu werden.

Diesen Umstand empfand ich eigentlich als Skandal. Wenn es schon keinen Anlass gab, so sollte doch wenigstens die Funktionalität erhalten bleiben. Aber was sollte eine Funktionalität, zu deren Einsatz es keinen Anlass gab? Es stellten sich also zwei Fragen:
  1. Wie macht man es (technisches Problem),
  2. und warum sollte man (inhaltliches Problem)?




Die technische Lösung


Dieses Werk beantwortet zunächst die erste Frage durch einen Wandelmechanismus mit 4 Schauseiten:
Mit Hilfe einer animierten » Simulation in einer Museumssituation kann man sowohl die Abfolge als auch die Veränderung der Dimensionen gut studieren.

Die einzelnen Tafeln haben ein extremes Hochformat, viel schmaler als ein Handtuch. Das geht auch nicht anders, da sonst die Dimensionen in der Breite übermäßig wachsen würden - immerhin stehen in der Schauseite 3 sechs solche Tafeln nebeneinander. Es stellt sich also die Frage, wie man hier überhaupt sinnvolle Inhalte gestalten kann.

Immerhin ergab sich, dass jede einzelne Tafel menschliches Maß hat (zufällig stand eine Person davor, die genau in diesen Rahmen passte: 162x62 cm, Verhältnis 2,61:1), und die Schauseite drei als extremstes Ensemble hat insgesamt etwa die Proportion einer einzelnen Tafel, gedreht ins Querformat.

Die berühmten » vier Apostel von » Albrecht Dürer (» Die Heiligen Johannes und Petrus, » Die Heiligen Markus und Paulus) sind noch extremer proportioniert: 216x76 cm, Verhältnis 2,84:1, und Dürer lässt die Herrschaften sogar oben anstoßen.

Grünewalds Seitenflügel der ersten Schauseite des » Isenheimer Altars (» Hl. Sebastian, » Hl. Antonius, siehe unten) mit den Maßen 232x75 cm stehen sogar im Verhältnis von 3:1.

Also: Keine Angst vor extremen Formaten. Interessanterweise wird der Isenheimer Altar heute demontiert präsentiert, damit das Publikum alle Schauseiten zugleich besichtigen kann: siehe Aufnahme aus der Vogelperspektive » Le retable d'Issenheim. Mit andreren Worten: mit dem Verlust des Wandelmechanismus geht der Verlust der rituellen Bedeutung einher. Es handelt sich jetzt nur noch um Kunst.



Die inhaltliche Lösung


Wozu dieser ganze Aufwand? Was sollte das Werk darstellen? Christliche Inhalte zu malen schien mir jedenfalls unvorstellbar, einmal wegen meiner Distanz zum Christentum oder besser zur christlichen Kirche, zum anderen weil ich mit größten Schwierigkeiten gelernt hatte, dass Vorstellungen jedwelcher Art der Tod des Werks bedeutet, und schließlich weil ich noch nie illustriert hatte und auch nicht illustrieren kann. Von Wollen konnte also keine Rede sein.

Die Mehrteiligkeit schien unüberwindliche Schwierigkeiten aufzutürmen: Die Tafeln einer Schauseite müssen untereinander in einer sinnvollen Beziehung stehen, und auch die Abfolge der Schauseiten sollte stimmig sein. Ein solches Werk muss unmöglich erscheinen. Man könnte es sich nicht ausdenken. Aber es ist möglich, wie man sieht, wenn man nämlich alle Sorgen und Gedanken beiseiteschiebt und sich einer höheren Kraft überlässt, die das Bild malt. Anders geht es ja ohnehin nicht. Von Willkür kann also keine Rede sein, eher von Notwendigkeit, Kraft und Geschlossenheit.

Durch die Verknüpfung mit den Mondphasen könnte man im Prinzip auch den Anlass zum Wechsel der Schauseiten schaffen, indem man nämlich die Seiten parallel zu den Mondphasen zeigt. Und damit ergibt sich auch ein inhaltlicher Bezug: Wachsen, Vergehen und Wiederkehr oder auch Werden, Sterben und Wiedergeburt.



Die Realisierung


So gesehen könnte das ganze Werk als eine Konstruktion erscheinen, als eine Illustration oder Analogie. Aber offensichtlich handelt es sich um etwas völlig anderes. Und wie erklärt man sich das? Wie kann ein solches Werk das Licht der Welt erblicken?

Zwar legte die Entwicklung der Schauseiten, die mechanische Konstruktion, eine Abfolge von vier Schauseiten mit zwei-vier-sechs-vier gleichbreiten Tafeln nahe, aber ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was man daraus hätte machen sollen. Schon die Konstruktion ist kompliziert. Wie sollte daraus ein Werk entstehen?

Aber eigentlich hat diese Frage nicht so viel mit der Wandelkonstruktion zu tun, denn grundsätzlich fängt der Maler ja immer mit der Entscheidung über das Bildmaterial an. Soll es ein großes oder kleines Bild werden, auf Papier, Holz oder Leinwand, ein Querformat, ein Hochformat oder ein quadratisches Bild oder eine unregelmäßige Form? Diese formalen Voraussetzungen bestimmen dann, was innerhalb dieser so festgelegten Bildfläche entstehen kann. Aber nie wird diese Vorentscheidung so deutlich wie hier. Und offensichtlich ist diese nicht so wichtig, wie es scheint.

Sehr mühsam hatte ich gelernt, mich dem Schaffensprozess zu überlassen, das heißt nichts zu wollen und lediglich geschehenzulassen, dabei aber ständig auf der Hut zu sein, das Richtige zu tun. Wie soll darüber entschieden werden? Wer entscheidet, was richtig ist? Diese Frage ist gleichbedeutend mit der Frage: Wer malt? Ich jedenfalls nicht. Ich spüre nur und verhalte mich. Ich könnte mir so etwas nie im Leben ausdenken. Ich hätte keine Ahnung, wie ich eine solche Aufgabe bewältigen sollte.



Die Zusammenschau


Die Maler der Vergangenheit hatten mit mehrteiligen Bildwerken weniger Schwierigkeiten, da das Thema des Werks in der Regel vom Auftraggeber vorgegeben wurde. Erst in der Neuzeit emanzipierte sich der Künstler und bestimmte selbst, was er schaffen wollte. Zunächst richtete er sich noch nach den zu erwartenden Bedürfnissen seiner Kundschaft. Diese wollte dann aber den Künstler als Propheten verstanden wissen, womit dieser gezwungen war, neuartige Inhalte zu schaffen.

Interessanterweise entstanden sporadisch immer wieder Werke, die das im Grunde christlich und funktional bestimmte System eines mehrflügeligen Altars benutzten, ohne christliche Inhalte zu zeigen und ohne die Notwendigkeit oder Absicht, die Flügel tatsächlich zu bewegen und unterschiedliche Schauseiten zu zeigen (siehe » Moderne Triptychen).

Das hatte mich schon immer geärgert. Wenn ein mehrflügeliges Werk konzipiert werden sollte, dann sollte wenigstens der mechanische Teil gerettet werden können. Welchen Sinn sollte es sonst machen, mehrere Bilder auf eine unveränderliche Art miteinander in Beziehung zu setzen?

In meiner Ausstellung im » Leopold-Hoesch-Museum 1983 waren zwei Werkgruppen so gehängt, dass sie den Eindruck eines Triptychons machten. Die beiden Bilder rechts und links dieser Dreiheiten wirkten aufeinander und auf das Mittelbild bezogen. Tatsächlich aber waren jeweils alle drei Bilder unabhängig voneinander entstanden und dieser Bezug hatte sich erst mehr weniger zufällig bei dieser Hängung ergeben.

Was sollte nun die Besonderheit eines Triptychons darstellen, wenn nicht die Möglichkeit, die Flügel zu bewegen und das Mittelteil zu verdecken? Damit hätte man schon mal zwei Schauseiten. Die Flügel würden natürlich auf der Rückseite ebenfalls Gemälde tragen. Irgendwie hatte ich aber in Erinnerung, dass der » Isenheimer Altar drei Schauseiten hat. Wie sollte das gehen? Ich hatte keine Ahnung.

Entsprechende Literatur, die ich hätte konsultieren können, lag mir nicht vor, das Internet war noch nicht erfunden. Zur Unterstützung meiner Fantasie bastelte ich mir ein Modell aus Papier und experimentierte damit. So ergab sich die Abfolge 2-4-6-3. Das Bild wird also größer und größer und dann wieder kleiner, wobei die letzte Schauseite den Eindruck eines klassischen Triptychons macht, weil die beiden mittleren Tafeln zu einer größeren Leinwand zusammengefügt sind.

Hätte es damals schon das Internet mit all den heute zur Verfügung stehenden Inhalten gegeben, hätte ich mich schnell schlau machen können. Der Isenheimer Altar wird nämlich gar nicht größer, nachdem er geöffnet wurde. Die dritte Schauseite ist genauso groß wie die zweite. Die Mitteltafeln die ersten beiden Schauseiten sind beide in der Mitte geteilt, was man aus der Ferne und in den üblichen Abbildungen nicht erkennt; die zweite Mitteltafel ist auch kompositorisch geteilt.

Zudem besitzt der Isenheimer Altar auch im ersten Zustand zwei Flügel, wirkt also wie ein Triptychon. Diese Flügel dienen aber im Gegensatz zu den Flügeln der zweiten Schauseite nicht dazu, irgendetwas zu verdecken, haben also keine konstruktive Funktion.

Die Flügel der dritten Schauseite umrahmen ein geschnitztes Bildwerk, das seinerseits in der Form eines Triptychon gestaltet ist, und haben ebenso wie die Flügel der zweiten Schauseite eine unregelmäßige Form, damit sie die Mitteltafel abdecken können, die, durch die Triptychon-Gestalt der Skulpturengruppe bedingt, ein Rechteck die Erhöhung in der Mitte aufweist.

Das Internet beschert immer wieder überraschende Entdeckungen: Das kleine Triptychon » Sagrada Familia con ángel músico, Santa Catalina de Alejandría, Santa Bárbara des » Meister von Frankfurt besteht aus einem rechteckigen Mittelteil (78x60 cm) und zwei Flügeln in fast derselben Höhe (79x27 cm).

Das Werk wird hier mit einer simplen Konstruktion gezeigt, die an die Rahmen meines zweiten und dritten Triptychons erinnern, also ohne die Möglichkeit, die Flügel zu bewegen. Die Abmessungen würden aber wohl erlauben, das Mittelbild zu verdecken, und deshalb darf man annehmen, dass der ursprüngliche Rahmen sehr wohl mit entsprechende Scharnieren versehen war. Zwar sind die beiden Außentafeln schmaler als das Mittelbild; aus der Differenz berechnet sich dann die Breite des erforderlichen Rahmens.

Diese Präsentation in der Wikipedia erlaubt also nicht den Schluss, dass dieses Triptychon schon Anfang des sechzehnten Jahrhunderts rein formal aufgefasst werden konnte, wie ich zunächst aufgrund des ersten Augenscheins annahm. Ich lag vermutlich doch nicht falsch, der modernen Malerei die Reduktion der Funktionalität vorzuwerfen.

Wenn ich die » Mitteilung des Museo del Prado richtig verstehe, konnte das Museum, das die beiden Flügel bereits besaß, im Jahr 2008 die Mitteltafel erstehen. Leider zeigt das » Museo del Prado das Triptychon nicht im Ensemble, sondern lediglich jede Einzeltafel separat. Die Darstellung der Wikipedia scheint die einzige Abbildung bisher, die das Triptychon als Ganzes repräsentiert. Kein Wunder also, dass der Rahmen nur als Hintergrundfolie realisiert wurde. Bis 1836 war das Triptychon noch vereint. (Bildvorstellungen dieses unbekannten flämischen Meisters unter » Mm2347 und » Mm2347, Seite 2.) Wenn das Triptychon geschlossen werden konnte, hätten die Flügel sicherlich auch Rückseiten gehabt. Darüber ist aber nichts zu erfahren.



Die Konstruktion


Obwohl ich als Mathematiker doch eigentlich über genügend räumliches Vorstellungsvermögen verfügen müsste, habe ich nach wie vor große Schwierigkeiten, mir die Mechanik vorzustellen. Statt eines Papiermodells habe ich jetzt zu einer Excel-Tabelle greifen müssen. Mit Hilfe von Farben und Mustern und dicken und dünnen Linien und roten Punkten für die Scharniere ist es mir gelungen, eine Draufsicht der vier verschiedenen Zustände zu produzieren, die erahnen lässt, wie der Mechanismus funktioniert.

Allerdings ist mir unklar, wie die beiden einzelnen Tafeln 584 und 589 dazwischengefaltet werden. Im Schema wird dort ein Doppelscharnier verwendet, so möchte ich es nennen, aber dieses muss sich beim Ausfalten zusammenlegen, damit der Rhythmus nicht gestört wird. Wenn ich das nächste Mal ins Lager komme und daran denke, muss ich mir die Sache mal anschauen.

Im geschlossenen Zustand sind die Schauseiten wie ein Sandwich aufeinandergestapelt: 2, 4, 6 und 3 Tafeln. Man sieht sehr schön, dass die letzte Tafel (Nr. 591) nur deshalb nicht geteilt ist, weil sie nicht mehr aufgeklappt werden muss.

Der Mechanismus funktioniert im Prinzip ganz einfach: Man kann die Flügel einzeln oder in Gruppen öffnen. Die Öffnung der ersten Schauseite ist offensichtlich und ergibt die zweite Schauseite.

Öffnet man aber gleich zwei Lagen des Sandwich auf einmal, erhält man die dritte Schauseite, und muss hier noch die äußeren Flügel zusätzlich öffnen. Öffnet man drei Lagen auf einmal, erhält man die vierte Schauseite.

Bei der Wandlung werden die Flügel also erst einmal wieder vollständig geschlossen, um dann die nächste Schauseite zu öffnen. Das hatte ich vergessen, und deshalb fiel es mir schwer, mir den Mechanismus vorzustellen. Die dicke Umrandung bezeichnet jeweils eine bewegliche Einheit, die roten Elemente die Scharniere, wobei zwei dieser Scharniere anders arbeiten als die anderen. In der Regel besteht eine Einheit aus zwei Tafeln (Vorder- und Rückseite), die Rücken an Rücken fest miteinander verbunden sind, angedeutet durch die dünne Linie. Tafeln derselben Farbe gehören zur selben Schauseite - wir haben also vier Farben für die vier Schauseiten.



Erste Schauseite

In Wirklichkeit sind die Tafeln natürlich viel dünner und das ganze Werk nicht ganz so unförmig, wie es hier in der Schemazeichnung aussieht.




Erste Wandlung

Hier die Simulation der Öffnung: Die ersten beiden Tafeln werden nach außen geklappt, wandern auf die Rückseite und geben die bisherige Rückseite als Schauseite frei.




Zweite Schauseite

Man sieht hier schön an den äußeren Flügeln, dass jeweils zwei Tafeln mit der Rückseite zusammengefasst sind: Der linke Flügel der ersten Schauseite ist die Rückseite des äußersten linken Flügels der zweiten Schauseite. Die äußeren Flügel der dritten Schauseite sind davon ausgenommen; sie haben wie die letzte Mitteltafel keine Rückseite und sind zur besseren Veranschaulichung gemustert.




Zweite Wandlung
Die ersten beiden Tafeln werden wieder eingeklappt.

Nun werden fünf Tafeln auf einmal bewegt. Wir müssen das Gestell etwas von der Wand abrücken, damit 578 Platz findet.

Bisher war das Werk immer auf einem eigens angefertigten Ständer mit Rollen befestigt. Es ist aber auch vorgesehen, es direkt an der Wand zu befestigen, sobald es einen festen Platz gefunden hat. In diesem Fall wird das Werk selbst natürlich nicht mehr bewegt, nur noch die Flügel, wie es auch in der Kirche der Fall ist.

Nun wird die rechte Seite ebenso geöffnet. Nr. 584 hat wie Nr. 589 keine Rückseite.



Dritte Schauseite

Die doppelt montierten Tafeln sind in diesen Schemazeichnungen durch einen breiteren Rahmen zusammengefasst, der den wirklichen Rahmen (aus gehobelten, gebeizten Dachlatten) darstellt und dessen dünne Mittellinie die beiden Rückseiten kennzeichnen soll.

Die Stärke dieses Lattenrahmens ist Bestandteil des Werks, denn wenn man Rahmen abweichender Dicke verbauen würde, hätte man Probleme mit der Darstellung der letzten Seite:




Dritte Wandlung
Nun können wir die letzte Schauseite öffnen, indem wir für jede Seite 7 Tafeln auf einmal bewegen. Und wieder müssen wir das Gestell weiter von der Wand abrücken.





Vierte Schauseite

Die ersten drei Schauseiten sind sandwichartig hinter den beiden Flügeln verschwunden.

Die beiden mittleren Tafeln der letzten Schauseite sind zusammengelegt, so dass in der letzten Schauseite der Eindruck eines klassischen Triptychons entsteht und sich statt der 16 Tafeln nun 15 ergeben.




Die statischen Probleme


Das Ganze muss dann ja auch noch irgendwie gehalten werden. Die Konstruktion ist natürlich extrem schwer und muss trotz der unterschiedlichen Gewichtsverteilung sicher stehen. Dafür habe ich zum einen eine Wandbefestigung vorgesehen, die aber noch nie benutzt worden ist; außerdem ein Gestell mit Rollen, das sich sehr bewährt hat. So kann man das Ungetüm auf ebenem Untergrund leicht bewegen.

Die Schauseiten werden von Klammern gehalten, die ich aus dem Draht alter Kleiderbügel gebogen habe. Beim Wechsel der Seiten muss man eine Halterung lösen, die Flügel aufklappen und mit einer anderen fixieren - das ist vor allem bei der 3. Schauseite mit fast 4 m Spannweite nötig.



Die Quaternität


Die Vorstellung eines Wandelbildes war aus der Frage entstanden, wie denn wohl die in vielen Kirchen heute noch vorhandenen Wandelaltäre konstruiert worden sind, wie man so etwas überhaupt machen kann, wie viele Schauseiten eine solche Konstruktion aus rein mechanischen Gründen haben müsste.

Da hatte ich mir noch gar nicht die Frage gestellt, aus welchen Gründen und zu welchen Anlässen man überhaupt ein solches Kunstwerk wandeln sollte. Zwei Schauseiten ist das Minimum, das ist klar, von drei Schauseiten hatte ich gehört. Schon die Vorstellung, irgendetwas vierteilig machen zu sollen, kam mir abstrus vor, und in einem Telefonat scherzte ich, dass mir zur Zahl 4 nur die vier Jahreszeiten oder die vier Mondphasen einfallen.

Diese Bemerkung wiederum ließ einen Groschen fallen, denn ich hatte bereits seit geraumer Zeit, ohne zu wissen warum, Mondgesichter produziert. Und so wollte ich mich denn auf das Abenteuer einlassen und unterwarf mich sogar der Bedingung, jede Schauseite in der dazugehörigen Mondphase malen zu wollen (was einfach nur dumm war).

Damals hatte ich mich auch mit » Carl Gustav Jung beschäftigt, und dieser meinte die katholische Kirche aus psychologischen Gründen dahingehend belehren zu müssen, dass die » Trinität um ein Viertes zur » Quaternität ergänzt werden müsse. Hierfür empfahl er dringend die » Gottesmutter als dringend benötigtes weibliches Element und meinte, alle Anzeichen dafür bei den Gläubigen bereits sehen zu können. Auch in dieser Hinsicht schien also die 4 nicht unpassend. Die Wikipedia berichtet von einem Kirchenväter des zwölften Jahrhunderts, der diesem Gedanken bereits hatte. Vermutlich kannte Jung den auch, da er antike Bücher sammelte, insbesondere zu religiösen Themen.



Die Simulation


Unter » Start kann man eine Show abrufen, die die Progression der Schauseiten in einer Museumsumgebung simuliert. Diese Darstellung ist sehr hilfreich, aber unflexibel, denn natürlich möchte man die Abbildung möglichst groß haben, zugleich aber auch denselben Maßstab bei allen vier Schauseiten anwenden. Wenn man mehr Details haben möchte, muss man über den Link in der Bildunterschrift auf die Einzeldarstellungen zurückgreifen.

Hier die einzelnen Schautafeln auf einmal:





Die Anmerkungen


Begonnen hatte die ganze Geschichte durch einen Zufall. Ich hatte meiner Assistentin den Begriff Triptychon erläutern müssen. Dabei wurde mir klar, dass ich selber nur sehr ungefähre Vorstellungen von einem solchen Werk hatte. Insbesondere konnte ich mir nicht vorstellen, selber einmal ein Triptychon zu malen, obwohl ich natürlich genügend viele kannte und mich insbesondere mit den Triptychen Max Beckmanns intensiv auseinandergesetzt hatte.

So ergab es sich, dass ich die ersten beiden meiner drei Triptychen malte, aber diese waren wie alle modernen Triptychen eigentlich keine solchen, denn diese wurden im Ritus eingesetzt und zu bestimmten Anlässen wurden die Schauseiten gewechselt. Moderne Triptychen hatten gar keine zweite Schauseite, von weiteren ganz zu schweigen.

Ich versuchte mir also vorzustellen, wie ein solcher Seitenwechsel auszusehen hätte und entwickelte ein kleines Modell aus Papierstreifen. In den Anmerkungen zum Werkkatalog schreibe ich dazu:

[...] Der Mond hat vier Phasen, und ich hatte den Mond inzwischen öfters als Mondgesicht gemalt. War das nicht ein Bezug? Mehr noch, die feministische Forschung hatte die These aufgestellt, dass die frühen Gesellschaften nicht nur mutterrechtlich organisiert, sondern dass die Gottheiten auch ausnahmslos weiblich waren, die männlichen Götter lediglich Buhlknaben (» Heide Göttner-Abendroth: » Die Göttin und ihr Heros).

Selbstverständlich gehörte die Vorstellung von der Wiedergeburt zum religiösen Grundbestand, und wegen der auffälligen 28-Tage-Rhythmik gehörten Mond und Frau und Göttin zusammen. Der Mond wurde nun ständig neu geboren, wuchs, nahm ab, starb, verschwand für drei Tage in der Unterwelt und erstand zuverlässig wieder neu. Er war das vollkommene Symbol für die ewige Wiederkehr. So kam die Schlange ins Bild, die diese ewige Wiederkehr, das 'Stirb und Werde', als Lebewesen zelebrierte, durch die Häutung nämlich. Daher die kretische Priesterin mit den Schlangen - diese waren die heiligen Tiere des Kultes. Und eine Göttin mit einer Schlange hatte ich ja schon längst gemalt! Die Schlange im Alten Testament, so hatte ich aus der Dissertation einer evangelischen Theologin gelernt, war nichts anderes als die Göttin, die den Rachegott Jahwe vorausging und unterlegen war. Entsprechend mussten die biblischen Erzählungen als parteiische Kriegsberichterstattung gelesen werden (» Geschichte der Matriarchatstheorien: Christa Mulack: » Die Weiblichkeit Gottes). [...]

Diese Ideen lagen damals in der Luft und haben sich inzwischen als weitgehend ideologisch bedingt herausgestellt. Natürlich ist dieses Werk ohnehin keine Illustration. Nur wenige haben es bisher gesehen, und ein Kunsthistoriker, der sich die Mühe gemacht hat, zwei Stunden lang die verschiedenen Schauseiten zu studieren und auf sich wirken zu lassen, resignierte. All sein Wissen über » Ikonographie half ihm nicht weiter, lieferte keinen Schlüssel zum Verständnis. Die Zusammenstellung der Tafeln und die Abfolge der Schauseiten wirkten dennoch vollkommen überzeugend auf ihn. "Da müsste mal einer drüber promovieren" war sein Resümee.



Die Ausstellung


Dieses Werk ist bisher erst einmal öffentlich ausgestellt worden, und zwar vom 22.9. bis 6.10.1985 im Sitzungssaal der Stadt » Löhne, in der ich damals wohnte (siehe Ausstellungsplakat » No. 601). Das war natürlich kein angemessener Rahmen und die Resonanz war im Grunde gleich Null.

Besagter Kunsthistoriker (Dr. Wolfgang Vomm) war Museumsdirektor (» Villa Zanders) und wollte eigentlich eine große Ausstellung mit meinen Arbeiten machen, musste die dann aber aus organisatorischen Gründen auf unbestimmte Zeit verschieben und hat sich später nie wieder gemeldet.

Es wurde langsam Zeit anzuerkennen, dass es mir nicht gelungen war, mich finanziell zu etablieren. Ich musste mich also nach anderen Möglichkeiten umsehen, meine Familie zu ernähren. So wurde ich Unternehmer.

In meinem ersten Büro, einer ehemaligen Filiale der Volksbank im Ortsteil » Gohfeld der Stadt Löhne, probierte ich, ob man ein solches gewaltiges Werk in einem normalen Zimmer unterbringen kann.

Man kann, wie man am nebenstehenden Foto sieht, und ich habe dieses Experiment auch noch verschärft, indem ich gleichzeitig mein erstes Triptychon  No. 572-574 aufhängte, das nicht minder klein ist (156x325 cm).

Glücklicherweise habe ich diesen Schnappschuss angefertigt, so erbärmlich er auch ist. Leider habe ich sonst damals so gut wie keine Dokumentationen angelegt, so dass auch die Ausstellung im Rathaus nicht dokumentiert ist.

Dabei hatte ich natürlich die Schilderung » Stephan Lackners im Ohr, der seinerzeit » Max Beckmanns Triptychon Versuchung 1937 gekauft hatte und in seiner kleinen Wohnung in Paris nur hatte unterbringen können, indem er die Flügel anklappte, so dass er praktisch mitten im Gemälde saß, was für ihn ein besonders intensives Erlebnis war, in dessen Genuss er sonst gar nicht gekommen wäre.

Neben » Rembrandt und » Picasso war » Max Beckmann besonders interessant und wichtig für mich; insbesondere dessen Triptychen haben mich lange beschäftigt, ohne dass ich jemals den Wunsch verspürt hätte, selber eins zu machen. Und nun plötzlich war es passiert.

Vor und nach dem Altar habe ich noch zwei weitere Triptychen angefertigt ( No. 575-577,  No. 605-607), und beide, wie auch schon das erste, verzichten darauf, die Höhe der Flügel von der Höhe des mittleren Bildes abzusetzen, wie Beckmann das immer getan hat. So wird das ganze Ensemble etwas aufgelockert. Die kirchlichen Altäre sind meist außerordentlich unregelmäßig geformt, mit teils sehr künstlicher, zerklüfteter Bildfläche. Demgegenüber ist mein Werk extrem nüchtern, ja langweilig.

Wenn man die Einzelbilder nicht mehr im Zusammenhang bewegen muss, kann man sie natürlich beliebig auf der Wand platzieren. Vermutlich haben die Künstler keinerlei Vorschriften in dieser Hinsicht erlassen. So ist es dem Kurator und seinem guten Geschmack überlassen, die drei Teile nach Gusto zu hängen. Auch die Rahmung ist in der Regel dem Eigentümer überlassen und richtet sich vielleicht nach der übrigen Wohnungseinrichtung.

In dieser Hinsicht bin ich auch nicht pingelig, meine Rahmen sind normalerweise nur als Schutzrahmen gedacht, um Beschädigungen bei der Lagerung oder dem Transport vorzubeugen. Diese Seite experimentiert ja geadezu mit diversen Rahmungen und deren Wirkung, ich war sehr neugierig über die Effekte und hatte kaum Erfahrungen, da Rahmen sehr teuer sind.

Bei dem Altar und den Triptychen ist das anders. Das erste Triptychon ist so gerahmt, dass die Flügel eingeklappt werden können, aber lediglich um sie besser verstauen zu können. Die beiden anderen sind so gerahmt, dass die Flügel fest mit dem mittleren Bild verbunden sind.

Damit handelt es sich fast schon um ein einzelnes Bild, und in der Tat entwickelten sich damals auch Bilder, die als Einzelbilder konzipiert sind, aber doch den Charakter eines Triptychons tragen, und zwar ganz deutlich, da die Bildfläche durch senkrechte Striche aufgeteilt ist, etwa  No. 571, unmittelbar vor dem ersten Triptychon  No. 572-574 entstanden.

Ein Rahmen ist auch für mich wichtig und soll die Wirkung des Bildes in seiner Umgebung unterstützen, diese also auch respektieren und darauf Bezug nehmen. Für diese Seite habe ich ja reichlich und mit großem Vergnügen mit virtuellen Rahmen und unterschiedlichsten Wohnsituationen experimentiert. Wenn jemand die Triptychen oder den Altar umrahmen möchte, soll mir das im Prinzip recht sein. Beim Altar wird man dann die Konstruktion entsprechend verändern müssen - keine Ahnung, wie das gehen kann. Zwei Flügel müssen das Mittelbild aus Schauseite 4 genau verdecken - das ist die Bedingung.




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