180 cm - 71 inch
Werkgröße 41×52cm
Referenzfigur 180cm
Werkdaten Nr. 69
Farbstift, Ölkreide / Papier
26.12.1973, » 41×52 cm (16×20")

» Kommentar

Blättern:
links / rechts wischen
die Tasten ← / → nutzen
auf Pfeil links / rechts klicken

Kommentar 28.01.2011
© Copyright Werner Popken. Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA


Wieder eine Überraschung: Diesmal Farbstifte auf Papier. Der bekleidete junge Mann schaut auf eine nackte Frau, die mit den Armen einen Tanz vollführt, obwohl sie den Schneidersitz eingenommen hat.

Zwischen beiden eine große Distanz, im Hintergrund ein Fenster mit Blümchen. Der Raum ist durch die „kubistische“ Konstruktion vollständig zu sehen, Boden, Decke, drei Wände.

Wie schon bei den Bildern zum Thema „Vorlesen“ entbehrt die Situation jeglichen Bezugs zur Realität. Damals habe ich mir überhaupt keinen Reim darauf machen können und auch gar nicht erst weiter darüber nachgedacht. Heute würde ich sagen: Die Dame kann sich noch so anstrengen, irgendwie erreicht sie ihn nicht.

Das sage ich jetzt, nachdem mir nach vielen Jahren bei anderen Bildern diese Aussage aufgefallen ist. Er schaut über sie hinweg, oder besser gesagt, das vordere seiner drei Profile, das jüngste, schaut leicht nach oben oder auch nach innen, und auch das hintere, älteste, das auf den ersten Blick auf sie schaut, tut das bei genauerem Hinsehen nicht, sondern legt ebenfalls mehr über sie hinweg auf etwas in der Ferne. Diese Lesart wäre mir damals schon deshalb sehr fremd gewesen, weil sie mit der Realität unserer Beziehung gar nichts zu tun hatte * und ich alle Bilder nur so verstehen wollte und konnte.

Die fünf Gesichter (drei beim Mann, zwei bei der Frau) gefallen mir sehr gut. Man kann deren Qualitäten besonders gut in der  größten Auflösung erkennen. Die Gesichtszüge sind jeweils sehr fein gezeichnet. Der junge Mann ist sehr ernsthaft und schaut zuversichtlich in eine unbestimmte Ferne, als ob er von dort etwas erwartet, der alte scheint tatsächlich aus einer ähnlichen Richtung etwas zu sehen, das ihn erstaunt und möglicherweise auch etwas beunruhigt; der Ausdruck des mittleren Gesichts liegt dazwischen und ist weniger ausdrucksvoll, weil kein Auge sichtbar ist.

Die junge Frau ist in der Frontalansicht völlig konzentriert, das Profil scheint zu rufen. Es macht gar nicht den Eindruck, als würde sie sich um ihn bemühen wollen. Zwar fällt es auf, dass sie nackt ist und er bekleidet bis oben hin, aber eine erotische Stimmung will nicht aufkommen, stattdessen wird die Bewegung betont. Rund um sie herum ist es nicht zu übersehen, aber auch er ist gewissermaßen in einen wirbelnden Kokon gehüllt. Außerdem wirken ihre blauen Augen durch die gelben Pupillen wie verzückt.

Wäre da nicht das Fenster und die Blumen, so könnte der Raum ähnlich gefängnisartig wirken wie in  Nummer 59. So aber strömt Licht herein, es gibt ein Außen, die beiden sind nicht isoliert, das Fenster ist nicht einfach nur Nebensache. An der Linie im Gesicht des jungen Mannes sieht man, dass dieser erst nachträglich aufgetaucht ist.

Je länger ich diese Zeichnung betrachtet, desto besser gefällt sie mir. Worum geht es hier? Ist das ein Ritual? Wird hier etwas beschworen? Die beiden sind räumlich nah zusammen, scheinen aber nicht direkt miteinander zu kommunizieren. Es wird auch keine Vorführung für einen Dritten gemacht, etwa den Betrachter.
*   Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog  » Stürenburg 2007

 





server time used 0.0351 s