Maler machen üblicherweise einen großen Bogen um Picassos Erfindungen, vermutlich um den Vorwurf des Epigonentums zu vermeiden - die kubistischen Schule hat ja denn auch fast nur Epigonales hervorgebracht; Karikaturisten hingegen haben wesentlich weniger Hemmungen und sind heute gar nicht mehr verständlich, wenn man nicht durch die Sehschule Picassos gegangen ist.
Diese Zurückhaltung ist aber durchaus nicht angebracht. Selbstverständlich muss man alles mitnehmen, was dieses Genie zu Tage gefördert hat. Er selbst ist ein gutes Beispiel für diese Haltung. Schließlich hatte sich ungeniert bei seinen Vorläufern und sogar bei seinen Zeitgenossen bedient.
Das ist nicht nur nicht verboten, sondern im Gegenteil notwendig. Kultur ist eine ungeheure Assimilationsleistung. Jede Generation muss sich das Vorhandene anverwandeln und weiterentwickeln. Es gibt von ihm sogar folgendes Aperçu: „Was ist im Grunde ein Maler? Ein Sammler, der sich die Bilder malt, die er sich nicht leisten kann. Und dann wird doch wieder ein Picasso daraus!“
Dieses Bild ist vermutlich ebenfalls als Paraphrase aufzufassen. Picasso behauptete seinerseits scherzhaft, er habe die Odalisken von Matisse geerbt. Hatte ich diese von Picasso geerbt? Der war etwa ein halbes Jahr vorher gestorben und hatte mich kurz danach im Traum besucht. Es klingelte, ich ging auf den Flur zur Haustür, öffnete, Picasso stand draußen; ich bat ihn rein, er schaute sich interessiert nach den Gemälden an der Wand um, nickte freundlich, um sein Gefallen zu signalisieren, und ging. Wie in einem realistischen Film. *
Dieses Bild wäre sicher ohne Kenntnis der genannten Arbeiten Picassos nicht denkbar; ansonsten hatte es mit mir wenig zu tun. Die Körperhaltung ist zwar ganz nett getroffen, der Ausführung im einzelnen jedoch ziemlich flach, jedenfalls nach der Reproduktion zu urteilen. Da ich das Original aber ebenfalls keiner weiteren ernsthaften Überprüfung für wert befunden habe, wird wohl wirklich nicht viel an diesem Bild dran sein.
Das Gesicht ist noch das Beste, der Haarputz ganz nett, das Rot der Weste nicht ungeschickt, die Hände schon ziemlich schwach und wie abgehackt, die Füße gerade noch erträglich. Immerhin sitzt die Figur souverän in ihrem Rahmen. Da es sich aber allenfalls um eine Maske handelt, so ausdrucks- und sinnlos wie nur je ein Gesicht Picassos, kann es nicht überzeugen. * Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog » Stürenburg 2007