Kommentar
Auch dieses Bild ist eine Paraphrase, und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen fällt die deutliche Parallele zu einem Selbstportrait von Picasso aus der blauen Periode auf, das er so um das Jahr 1901 nach einer längeren Krankheit gemalt hat. Zum anderen assoziierte ich ziemlich bald das Selbstportrait von
» Paul Gauguin als
» Christus am Ölberg, wo er sich selbst als Jesus mit roten Haaren und einem roten Bart darstellt.
Ganz zweifellos ist das wieder ein Selbstportrait, die Assoziationen kamen erst hinterher, im Gegensatz zum vorherigen Bild, das von vornherein durch Picassos Paraphrasen angeregt war.
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Der Schnurrbart ist ein wenig üppiger als in Wirklichkeit, die Ähnlichkeit aber durchaus verblüffend, insbesondere wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine solche nicht beabsichtigt war und ein Spiegel oder ähnliche Hilfsmittel nicht benutzt wurden.
Dieser junge Mann schaut nun ganz deutlich nach innen. Im Gegensatz zu Picassos
» Selbstportrait, das ihn als ambitionierten Rekonvaleszenten zeigt und deshalb anekdotisch wirkt, und Gauguin ganz in der Rolle des Leidensmannes aufgeht, was für einen Künstler doch vielleicht etwas zu prätentiös wirkt, ist dies ein stilles Bild, obwohl ein gewisser Leidenszug durchaus spürbar ist. Dies ist aber nicht das Leiden des Künstlers, sondern des heranwachsenden Mannes, der seinen Platz im Leben noch nicht gefunden hat.
Auf seine Weise stellt dieses Bild die entscheidenden Fragen:
Wer bin ich, wo komme ich her, wo gehe ich hin? Diese hat Picasso interessanterweise nie oder selten gestellt (höchstens in der blauen Periode lassen sich Anklänge finden), Gauguin haben sie jedoch nachweislich umgetrieben - er hat sogar ein riesiges Spätwerk danach benannt (
» D'où venons-nous? Que sommes-nous? Où allons-nous?, 139.1 × 374.6 cm, 1897 - siehe auch
› Nr. 187).
Die Malweise ist sehr viel freier und gereifter als noch vor kurzem, ein Vergleich mit
› Nummer 29 beweist dies ganz eindrücklich. Zwar ist die Behandlung des Gesichtes noch etwas gehemmt, Kopf und Haare und Mantel und Körperhaltung und Integration in den unbestimmten Raum sind aber durchaus überzeugend. Das Bild hat mir immer gut gefallen, trotz des etwas selbstmitleidigen Ausdrucks und der düsteren, trockenen, stumpfen Farben.
seit spätestens 24.01.2011 gesperrt ist,
führt ein direkter Link nicht mehr zum Ziel; daher bin ich gezwungen, die erwähnten Werke
hier zu reproduzieren und berufe mich dabei auf
bzw. das
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