180 cm - 71 inch
Werkgröße 40×47cm
Referenzfigur 180cm
Werkdaten Nr. 23
Öl / Weichfaser
02.10.1973 - 04.10.1973, » 40×47 cm (16×19")

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Kommentar
© Copyright Werner Popken. Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA


Ein paar Tage nach dem Portrait nach Foto, gut zwei Monate nach dem ersten ohne Vorstellung gemalten Bild das zweite, das offensichtlich nicht irgendeiner Konzeption verpflichtet ist, sondern ziemlich frei und spontan zwei Köpfe in extremer Nahsicht summarisch hinwirft: Ein männliches Gesicht von links im Profil, ein weibliches von rechts im Dreiviertelprofil.

Keine sklavische Anklammerung an ein Vorbild also, sondern der Sprung ins kalte Wasser, die Hingabe an die Inspiration, das große Unbekannte. Vielleicht grüßt hier unbewusst » Emil Nolde, dessen Drei Männer in der » Kunsthalle Bielefeld ich beiläufig studiert hatte, ein mittelgroßes Bild, das nur aus den drei Köpfen besteht.

Anhand des Bartes und der Haare der Frau könnte man das Bild für ein Selbstportrait mit Frau halten; eine direkte Ähnlichkeit ist aber eigentlich eher nicht gegeben. Anscheinend haben die beiden ein Problem. Der Mann schaut fordernd, die Frau schlägt die Augen nieder und wehrt ab. Es ist im Grunde ein Drama. In der Beziehung stimmt etwas nicht. Der Mann will etwas, und die Frau will es ihm nicht geben.

Die Farben sind plakativ, die Haut des Mannes ist gelb, die der Frau rot, ihre Haare treiben einen Keil zwischen die beiden, der Hintergrund ist rotviolett. Die Farbigkeit zumindest erinnert ein bisschen an Nolde. Für die Charakterisierung der Personen und die Beziehungsintensität fällt mir kein vergleichbares Bild ein

Es ist naheliegend, dieses Bild persönlich zu verstehen. Und da es noch eine ganze Reihe solcher Bilder gab, verstand ich alle diese Bilder auf dieser vordergründigen Ebene. Das war möglicherweise nicht ganz verkehrt, aber auch nicht ganz richtig, wie sich später zeigen sollte.

Hier drückt sich beim Mann schon eine sehr starke Sehnsucht aus, die nicht erfüllt wird und von der er möglicherweise annimmt, dass die Frau sie erfüllen müsse. Zu einem gewissen Grade hätte sie es vielleicht auch tun können, aber selbst daran haperte es. Und das war ein weiterer Grund, der dafür sprach, dieses Bild persönlich zu verstehen.

Die Ausführung ist summarisch-genialisch, aber sehr konkret und sehr ausdrucksvoll. Das ist keine Spielerei, wie die Berliner Sachen, und auch keine Willkür, wie die Portraits, sondern hier spricht etwas aus dem Bild, was ich mir nicht hätte ausdenken können. Im Vergleich zum ersten Bild dieser Art ist dieses hier sehr viel reifer. Eine Assoziation zur Hobbykunst, wie bei Nummer 17, will sich nicht einstellen.

Sehe ich überhaupt recht? Oder sollte er an ihr vorbeischauen, in eine unbestimmte Ferne und dort ein Ziel anvisieren, das ihn anzieht? In diesem Falle würde die Frau sehen, dass sie ihn nicht halten kann, und dass er diesem Ziel folgen muss. Diese Lesart drängt sich mir gerade jetzt auf, und sie scheint mir viel überzeugender zu sein. In diesem Fall liegt die Dramatik aber ganz woanders. Es geht dann gar nicht um die persönliche Ebene, und die beiden haben auch keinen Konflikt - im Grunde schaut sie ja auch ganz liebevoll.

Dass mir das jetzt erst auffällt! Nun gut, ich habe mich mit dem Bild nicht besonders beschäftigt. Aber es gibt noch einen weiteren Grund: Wenn das Bild bildschirmfüllend angezeigt wird, sieht man es nicht so deutlich, man hat eher den Eindruck, dass der Mann die Frau anschaut - in der kleinen Version, die mehr Abstand entspricht, fällt mir die neue Lesart viel mehr ins Auge.

Je länger ich dieses Bild anschaue, desto weniger verstehe ich, wie ich auf die erste Lesart kommen konnte. Sollte es sich dabei um eine Projektion handeln? Eine Bildaussage nicht verstehen zu können, ist ja eine Sache, sie aber misszuverstehen, eine vollkommen andere. Könnte das daran liegen, dass ich unbewusst wahrgenommen habe, dass dieses Bild mir etwas zu sagen hat, was mir zu viel war, was ich nicht verstehen und integrieren konnte?

Es scheint darin ja eine Dimension auf, die ich noch in den nächsten 30 Jahren nicht erkennen konnte, auf die ich aus eigenen Kräften auch gar nicht gestoßen bin, die meinem Bewusstsein also völlig verschlossen war.

Nach dieser Überraschung bin ich gespannt, was mir zu anderen Bildern noch auffallen wird.

 





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