180 cm - 71 inch
Werkgröße 126×153cm
Referenzfigur 180cm
Werkdaten Nr. 200
Lack / Hartfaser
08.10.1974 - 30.10.1974, » 126×153 cm (50×60")
Rückseite von » 187

» Kommentar

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Kommentar 07.03.2011
© Copyright Werner Popken. Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA



› No. 187    126x153 cm
Rückseite
Auch dieses Werk besteht überwiegend aus ruhigen Farbflächen, die schlecht zu reproduzieren sind.

Natürlich stellen sich immer wieder auch Assoziationen zu bekannten Bildern ein; in diesem Fall zu den beiden Varianten zu Drei Musikanten Picassos. Hier sind es nicht drei, sondern zwei Personen, und es wird natürlich nicht musiziert, sondern kommuniziert. Eine Frau und ein Mann, Nonne und Mönch sind es für mich.

Die absoluten Dimensionen eines Bildes sind ganz wesentlich für die Rezeption und Beurteilung; deshalb gebe ich die Maße immer mit an. Man muss sich immer vorstellen, wie ein solches Bild auf einer Wand wirkt, welche Wand es braucht, wie viel Raum um sich herum. Dies ist ein ziemlich großes Bild, es braucht viel Platz. *

No. 187 ist die Rückseite von No. 220.

23.02.2013

Assoziation heißt hier natürlich auch wieder, dass sich meine Beschäftigung mit diesen Bildern Picassos auf meine eigene Arbeit ausgewirkt haben dürfte, nicht aber, dass ich mit diesem Bild in irgendeiner Weise auf Bilder Picassos Bezug genommen hätte oder hätte nehmen wollen. Selbstredend ist auch dieses Bild einfach so meinen Kopf oder meiner Seele entsprungen.

Ja, die Musikanten von Picasso, das waren eben auch Vorbilder, die die populärwissenschaftliche Literatur dem geneigten Leser andiente. Ich habe sie mit der ganzen Kraft meiner jungen Seele sehr intensiv studiert und versucht zu lernen, was zu lernen war. War etwas zu lernen? Heute sehe ich diese Bilder als zeitbedingte Stilübungen, damals versuchte ich sie als künstlerische Offenbarung zu begreifen.

Zum Beispiel habe ich mich gefragt, warum es zwei Varianten gibt, welche Beweggründe dazu führten, ob das eine eine Steigerung des anderen ist, ob beide gleichwertig sind, ob sie unterschiedliche Aussagen beinhalten, ob sie notwendig waren.

» Pierrot et arlequin · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
Notwendig - das hieße ja, dass das Bild nur so und nicht anders sein kann und in dieser Form sein muss, weil der Welt sonst etwas fehlt. Oder noch einmal anders gesagt: Werbegrafiker produzieren jede Menge auffällige bildnerische Gestaltungen, denen aber im allgemeinen kein besonderer Wert beigemessen wird, die auch ziemlich beliebig variiert und verändert werden dürfen, ohne der Sache selbst zu schaden, ohne ihr etwas wegzunehmen oder hinzuzufügen. Bühnenbildner sind ebenso wie Grafiker Kunsthandwerker, deren Arbeit zwar zum Gelingen der Aufführung beiträgt, aber keinen bleibenden Wert darstellt, wie man das von Künstlern fordert. Handelt es sich hier also um Kunst oder um Kunstgewerbe?

Picasso hat sich Anfang der Zwanzigerjahre als Bühnenbildner und Kostümbildner für das » Ballets Russes betätigt und dazu eine Reihe von Entwürfen angefertigt, die als Kunst behandelt werden, beispielsweise » Pierrot et arlequin. Die beiden großen Fassungen der drei Musikanten sind in diesem Umfeld anzusiedeln.

Ist das nun etwa Kunst, weil es ein Künstler gemacht hat? Jeder Bühnenbildner macht so etwas vermutlich routinemäßig. Jedenfalls gehören sämtliche Arbeiten in diesem Zusammenhang zu Picassos Werkverzeichnis.

Allgemeiner gefragt: Wann ist ein Bild Kunst und wann ist es lediglich Dekoration, Illustration, Kunstgewerbe? Dieser Unterschied zwischen den Gattungen wird ja gemacht, und es werden damit auch Erwartungen verknüpft und Wertungen vorgenommen.

Der » Flickr-» Fotostrom zum Thema zeigt einige Originalaufnahmen im Museum, aus denen man entnehmen kann, dass » Musiciens aux masques im » MoMA möglicherweise schlecht ausgeleuchtet ist und im oberen Teil absäuft - die Ausnahme ist vermutlich mit einem Blitz gemacht worden. Wie üblich in einem Museum, stehen die Menschen andächtig davor und versuchen die gesegnete Botschaft des Künstlers in sich aufzunehmen.


   OPP.21:001  im MoMA · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
     
   OPP.21:001  im MoMA · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
   OPP.21:001  im MoMA · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
     
   OPP.21:002  im Philadelphia Art Museum · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
Der Begleittext des Museums ist dürftig und enttäuschend. Er hebt das Bild auf die anekdotische, persönliche Ebene, ohne dafür auch nur einen hinreichenden Beleg angeben zu können oder zu wollen. Das kann man natürlich als bewusste Politik des Museums auffassen, das seinen Besitz dem Publikum ja schließlich verkaufen muss, wobei das Publikum selbstredend als dumm hingestellt werden darf:

The three musicians and dog conjure a bygone period bohemian life, enjoyed here by Picasso in the guise of a Harlequin flanked by 2 figures who may represent poet-friends of the artists: Guillaume Apollinaire, who was recently deceased, and Max Jacob. The patterned flatness of the work is derived from cut-and-pasted paper, and stands in stark contrast to the sculptural monumentality of Picasso's Three Women at the Spring (adjacent), also painted in the summer of 1921.

Die drei Musiker und der Hund beschwören eine vergangene Zeit der Boheme herauf, die Picasso in der Verkleidung eines Harlekin genießt, von zwei Figuren flankiert, die möglicherweise Poeten-Freunde des Künstlers darstellen: » Guillaume Apollinaire, der kürzlich verstorben war, und » Max Jacob. Die gemusterte Flächigkeit des Werks ist aus der Technik der Papierschnipsel-Klebearbeit abgeleitet und steht in starkem Kontrast zur skulpturalen Monumentalität seiner Drei Frauen an der Quelle (nebenan), ebenfalls aus dem Sommer 1921.

» Picasso: Three Musicians (Description), meine Übersetzung

  OPP.21:002, Hand · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
     
  OPP.21:002, Vexierbild · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
Der Hinweis auf den Kontrast zu einem Hauptwerk der neoklassischen Periode oder der Bezug zur Bastelarbeiten helfen dem Betrachter sicher auch nicht weiter.

Besonders im direkten Vergleich mit meinem Bild wird deutlich, dass Picassos Gemälde voll von Erfindungen sind, die aber insgesamt keine schlüssige Botschaft vermitteln. Das Gefühl der Absurdität überwiegt. Dazu tragen beispielsweise die zeichenartig eingetragenen Hände bei. Im zweiten Gemälde gibt es übrigens auch eine Art Vexierbild, das aber ebenfalls keinen Sinn ergibt: das klarinettenartige Instrument wird durch einen Profilkopf überlagert.

In meinem Bild dagegen fällt auf, wie intensiv der Dialog zwischen den beiden Personen ist. Die beiden nehmen einander sehr ernst und gehen aufeinander ein, keiner dominiert den anderen. Der Mann ist dabei der führende, aggressivere, die Frau reagiert, und zwar etwas verhalten auf seinen Vorstoß. Dennoch ist er sehr offen und an ihrer Reaktion interessiert.

So jedenfalls lese ich das Bild. Interpretiere ich etwas hinein oder lese ich einfach heraus, was objektiv gegeben ist?

Die Kleidung ist durchaus bemerkenswert. Mehr kann man Kleidung kaum zurücknehmen. Sie verhüllt und schafft dadurch Volumen, massiges Volumen, das zur Wirkung dieses Bildes sehr beiträgt. Die Assoziation zur Klosterkleidung lässt sich nicht von der Hand weisen. Und damit wird auch die erotische Spannung gedämpft, die naturgemäß zwischen Mann und Frau entsteht.

Aber nicht nur das, die Assoziation zum Kloster bedeutet auch eine Hinwendung zu etwas Höherem, genauer zu Gott. Demgegenüber mutet die Figur des Mönches bei Picasso willkürlich an - ein Mönch gehört nicht in die Gesellschaft der » Commedia dell’arte. Selbst die Bezugnahme auf » Max Jacob, der aufgrund einer Gottes-Vision vom Judentum zum Katholizismus konvertiert und 1921 (vor oder nach Schaffung dieser Gemälde?) ins Kloster gegangen war, hilft nicht wirklich weiter, außer dem Bild eine anekdotische Bedeutung zu verleihen, die belanglos erscheint.

Abgesehen von der Kleidung deutet jedoch nichts darauf hin, was der Gegenstand des Gesprächs sein könnte. Es dürfte sich um etwas Ernsteres handeln, aber wenn er mit ihr anbandeln wollte, wäre es ja auch etwas Ernsteres. Es bleibt also die Frage nach der Kleidung, die so überaus präsent ist im Bild. Sollte sie so ganz ohne Bedeutung sein?

Vermutlich nicht. Kleider machen Leute, durch Kleidung wird etwas zum Ausdruck gebracht. Man muss die Kleidung also ernstnehmen. Das habe ich mir damals alles nicht klargemacht. Ich habe das Bild so hingenommen, wie es war, und mich sehr gewundert.
*   Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog  » Stürenburg 2007

 





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