Louvre-Probe 04.10.2012
Vergleich mit alten Meistern
Auch bei diesem Bild geht es mir so, wie bei vielen anderen: Je länger und genauer ich es anschaue, desto besser gefällt es mir.
Die Rückseite
› No. 190 hat mir immer sehr viel besser gefallen, und ich glaube, dass ich die auch aufgehängt hatte. Diese Seite habe ich nie an die Wand gehängt. Dabei ist sie sicher nicht schlechter als die andere.
Es ist erstaunlich, wie stark die Persönlichkeit der Figur zum Ausdruck kommt, die durch die wenigen primitiven formalen Elemente dargestellt wird. Die geometrischen Bausteine lenken nicht ab, sondern dienen der Gesamtaussage.
Es handelt sich ganz offensichtlich um einen Mann reiferen Alters, der sich nicht in Szene setzen will, nichts zu beweisen hat, keinen Eindruck schindet, in sich ruht, mit sich zufrieden ist und trotzdem auf der Suche nach dem, worum es eigentlich geht.
Picassos
» Die Frau in Grün arbeitet noch ganz ähnlich mit geometrischen Zeichen, die Dreidimensionalität suggerieren, während sein
» Porträt von Ambroise Vollard dort, wo der Kopf erscheint, vornehmlich durch Farbe und Linie gekennzeichnet ist. Die Frau gibt als Portrait nicht viel her, außer der formalen Übung, und das männliche Portrait bleibt ganz an der Oberfläche und schmeichelt dem Ego des Portraitierten.
Bei Tizian wird der Machtmensch der Renaissance sichtbar, Rembrandt präsentiert sich als schneidiger junger Maler, der sich nicht in die Karten schauen lassen will und auch nichts über sich selbst erfahren möchte. Holbein zeigt uns auch eher die Rolle als die Person, die gesellschaftliche Maske, den Unternehmer, während es bei van Eyck ganz klar um ein heiliges Geschehen geht, selbst wenn damit auch geschäftliche Interessen verbunden sind.
Van Gogh ist ein Getriebener, der mit seiner Malerei missionieren wollte, der glaubte, Gott mit der Malerei besser dienen zu können denn als Prediger. Er hatte enorme Probleme, Themen zu finden, mit denen er dies bewerkstelligen konnte. Seine Gottsuche, seine unbändige Sehnsucht, sein ungestilltes Verlangen sprechen überdeutlich aus seinen Selbstportraits. Es sind vor allem die Augen und der Mund, die dies zum Ausdruck bringen. Van Gogh schaut genau hin und arbeitet an diesen Stellen sehr präzise.
Modigliani brauchte, wie van Gogh, anscheinend auch immer ein Modell, etwas zum Abmalen, zum Dranfesthalten. Das Verwunderliche bei mir ist ja, dass ich völlig ohne Vorwurf arbeite, ohne Vorstellung, ohne Modell, ohne Spiegel, ohne Vorbild. Die Bilder springen mir entgegen und sind so verschieden voneinander, dass es kaum zu glauben ist.
Bei Picasso kann man in jeder Phase seines Arbeitslebens nachvollziehen, wie er ein Thema eingekreist, wie er sich herangearbeitet, probiert hat. Aus der Musik ist dieser Gegensatz von
» Mozart und
» Beethoven bekannt. Mozart scheinen die Werke so aus dem Kopf gesprungen zu sein, während Beethoven gearbeitet, verbessert, entwickelt hat. Dabei ist man sich über die Arbeitsweise Beethovens einig, bei Mozart weiß man es inzwischen ebenfalls genauer:
| Seine Skizzenbücher zeigen, mit wieviel unermüdlicher Arbeit und wiederholten Versuchen er seinen Werken die Gestalt zu geben suchte, in der sie ihn schließlich befriedigten. Man staunt, wie O. Jahn schrieb: „… über seine Art, „nicht bloß einzelne Motive und Melodien, sondern die kleinsten Elemente derselben hin und her zu wenden und zu rücken und aus allen denkbaren Variationen die beste Form hervorzulocken; man begreift nicht, wie aus solchem musikalischen Bröckelwerk ein organisches Ganzes werden könne …. Und machen diese Skizzen nicht selten den Eindruck unsichern Schwankens und Tastens, so wächst nachher wieder die Bewunderung vor der wahrhaft genialen Selbstkritik, die, nachdem sie alles geprüft, schließlich mit souveräner Gewißheit das Beste behält.““ – O. Jahn: Gesammelte Aufsätze, S. 243 » Beethoven | | |
| Mozart arbeitete sehr spontan, hatte er ein Stück geschrieben, war es für ihn beendet. Beethoven jedoch feilte lange an seinen Werken, hat sie immer wieder korrigiert und verbessert, weshalb er oftmals Auftragskompositionen nicht rechtzeitig fertig bekam. » Ludwig van Beethoven | | |
| Mozarts Arbeitsweise ist verblüffend. Er komponiert häufig im Kopf und scheibt (sic!) das Stück dann einfach nieder. » Wolfgang Amadeus Mozart | | |
| Harte Arbeit plus klare OrganisationAuch Mozarts Schaffensweise durchforsten die Wissenschaftler. Ergebnis: Nichts fällt Mozart mal eben so zu. Der Mann erarbeitet sich seine genialen Einfälle hart. Musikologe Ulrich Konrad stellt vier grobe Arbeitsschritte fest: In der ersten Phase konzentriert sich Mozart auf die jeweilige Werkidee und sammelt melodische und rhythmische Einfälle. In der zweiten Stufe fixiert er seine Einfälle in stenografischen, teils kryptischen Notizen. Im dritten Schritt fertigt Mozart daraus Manuskripte, die ganze Sätze, Arien oder Orchesterpartien, aber noch keine vollständigen Werke umfassen. Diese Handschriften lagert er zunächst in der Schublade, um sie bei Bedarf hervorzuziehen und im vierten Schritt für Konzerte zügig fertig zu stellen. „Das größte Genie der Musikgeschichte hat seine Arbeitsabläufe klar organisiert. Nur so bringt er diese Menge an Werken zustande“, resümiert Konrad. » Mozart-Jahr 2006: Dem Genie auf der Spur, 07.12.2005 | | |
| Über die Entstehung der Violinsonate B-Dur KV 454, um das gemeinte Beispiel zu erläutern, berichtet Mozart selbst nur flüchtig in einem Brief an den Vater.8 Trägt man jedoch alle verbürgten Fakten zusammen und studiert Mozarts Autograph, so stellt man fest: Der Komponist hat an der Sonate mindestens sieben Tage, wenn nicht mehr, arbeiten können (und auch gearbeitet), er hat im ersten Satz von 159 Takten seines Klavierparts 93, im zweiten 56 von 116 und im dritten 111 von 269 unterschiedlich vollständig skizziert und eingetragen.9 Daß er dabei zusätzlich am Instrument probiert hat, darf als sicher gelten, wissen wir doch aus mehreren Briefen Mozarts, daß er ohne Klavier nicht habe komponieren können oder wollen. Doch davon wußte die Öffentlichkeit nichts. » Mozarts Skizzen | | |
Das alles will aber nichts heißen - selbstverständlich müssen die Noten aufgeschrieben, die einzelnen Nummern einer Oper organisiert werden, bis das große Werk steht, selbstredend muss ein Bild gemalt werden, Strich für Strich, bis es fertig ist. Das ist Arbeit, auch für Mozart. Damit ist jedoch die Frage, wie ein Musikstück oder ein Bild entsteht, noch längst nicht beantwortet.
» Henri-Georges Clouzot hat 1955 im Dokumentarfilm
» Le Mystère Picasso versucht, dem Geheimnis des Schöpferischen auf die Spur zu kommen. Leider markiert Picasso das Wunderkind, führt nur Kunststückchen vor und verzettelt sich. Ein Kunstwerk von Bedeutung wird vor der Kamera nicht produziert, eher Peinlichkeiten.
Da das
Picasso Project seit spätestens 24.01.2011 gesperrt ist,
führt ein direkter Link nicht mehr zum Ziel; daher bin ich gezwungen, die erwähnten Werke
hier zu reproduzieren und berufe mich dabei auf
» Fair Use bzw. das
» Zitatrecht.
Rahmen wie hier gezeigt können bei
» Kunstkopie,
» artoko und anderswo erworben werden.
Vergleich mit alten Meistern =
Louvre Probe genannt nach dem berühmten Test für Picasso,
der 1944 im Louvre veranstaltet wurde (s.
» Françoise Gilot: Life with Picasso) -
denn die Kraft und Stärke eines Werks erweist sich erst im direkten Vergleich -
Picasso war sehr daran interessiert, sich mit den großen Meistern zu messen.
| Jedes Kunsturteil ist das Resultat einer Vergleichung, die sich zumeist in Unbewussten vollzieht. Steigerung des Eindrucks wird durch Kontrastwirkung erzielt. Habe ich ein Bild von G. Dou erblickt und richte danach das Auge auf Rembrandt, so treten gewisse Eigenschaften Rembrandts hervor, wende ich mich dagegen von Tizian her zu Rembrandt, so erhalte ich einen anderen Eindruck.
Experimentieren in dieser Art ist eine empfehlenswerte Übung. Je ferner sich örtlich, zeitlich oder dem individuellen Charakter nach die Kunstwerke stehen, die wir konfrontieren, umso schärfer prägt sich das Zeit- und Ortsgemäße aus; je näher sie sich stehen, umso leichter wird es, subtile Unterschiede wahrzunehmen, etwa den Meister gegen seinen geschickten Nachahmer abzugrenzen.
» Max J. Friedländer:
Von Kunst und Kennerschaft
Seite 118, Ullstein 1957 | | |