Kommentar
Mit diesem „Grünen Mann“ fühlte ich mich gleich schon viel wohler. Es geht mir natürlich genauso wie anderen Betrachtern - was ich kenne und einordnen kann, erschließt sich mir leichter und macht mir weniger Angst. Es ist also viel einfacher, ein Epigone zu sein, als Neuland zu erschließen. Insofern kann man gar nicht ermessen, wie mutig und unerschrocken Picasso gewesen sein muss, und zwar sein Leben lang.
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Man weiß ja kaum, wie es ihm in seiner Jugend erging, aber damals war anscheinend vieles im Umbruch und seine Unerschrockenheit und Eigensinnigkeit wurde anerkannt. Merkwürdig nur, dass er sich im Alter, wo er doch genug Speichellecker um sich herum geschart hatte, ständig beklagen musste, keiner würde ihn mehr verstehen.
Es war wohl so, dass die Zeit ihn nicht mehr trug. Es ist ja auch so, dass die Zeit den großen Mann macht, dass die Zeit für ihn günstig sein muss, und dass sie auch über ihn hinweggehen kann. Umgekehrt ist natürlich auch die Frage, ob alles, was eine Zeit hochspült, wirklich bedeutsam ist und Bestand hat. Aber das ist falsch formuliert: Es ist gar keine Frage; das meiste, was die Zeit hochspült, hat keinen Bestand. Nur sehr wenig überdauert die Zeiten, und ob die Zeitgenossen das schon gesehen haben, ist die Frage.
Wenn Picasso 40 Jahre nach seinem Tode mit seinem vielgeschmähten Spätwerk neu entdeckt worden ist, so sagt das vielleicht einiges über die Kunstszene unserer Tage aus und nicht so sehr etwas über seine Kunst. Ein neuer Picasso war trotz aller Versuche irgendwie doch nicht aufzubauen. Und wenn die Flaute dann allzu groß wird, holt man die alten Kamellen aus dem Magazin.
Aber zurück zu meinem Grünling. Das Gesicht ist zweigeteilt, aber trotzdem ist es extrem schwierig und nicht sehr überzeugend, die beiden Einzelprofile für sich zu sehen. Es handelt sich offensichtlich um einen Jüngling, der noch grün hinter den Ohren ist und dies auch weiß.
Er weiß auch, dass es auf die innere Entwicklung ankommt, nicht auf das Äußere, und schaut entsprechend nach innen. Er ist einsam; das ist mir damals nicht aufgefallen, aber wenn ich an die späteren Bilder denke, in denen der Held einen, zwei, drei oder noch mehr Gefährten hat, die sich alle liebevoll um ihn kümmern, selbst wenn er sie gar nicht wahrzunehmen scheint, so wird seine Einsamkeit umso deutlicher.
Dieser Held ist allein und auf sich gestellt, wie das ja die archetypischen Situation aller Helden ist, insbesondere in den Märchen. Und in den Märchen sind es in der Regel die jüngsten Brüder, die die Heldentaten zu vollbringen haben, die naiv und unbedarft in die Welt hinausgehen und die Gefahren teilweise deshalb überstehen, weil sie sich der Gefährlichkeit ihres Unternehmens gar nicht bewusst sind.
War ich in einer solchen Situation? War ich auf einer Heldenfahrt, deren Gefahren mir nicht bewusst waren? Das kann man so sehen. Das muss man vielleicht sogar so sehen. Und in diesem Sinne wäre dieser grüne Mann eben auch ein Selbstportrait.
Wie erwartet, macht sich das kleine Bild ganz gut, auch mit ausgesprochenen Krachern, denn durch die klaren Farbflächen und die prägnante Zeichnung hat es eine ausgesprochene Fernwirkung. Der Rahmen spielt eine eher untergeordnete Rolle, dieses Bild kann sich mit jedem Rahmen sehen lassen.
Aber auch aus der Nähe hat es Qualitäten, die Grüntöne sind außerordentlich angenehm und reichhaltig, ganz im Gegensatz zu den schrecklichen Dissonanzen im Vorgängerbild.
Nun bin ich aber mal gespannt auf die Konfrontation mit den Kollegen.
Es ist erstaunlich, wie ernst dieser junge Mann blickt, und wie leicht er es mit dem Renoir aufnehmen kann. Der war schließlich schon alt und reich an Erfahrung und galt als einer der besten.
Zu Ostern habe ich entdeckt, dass auch andere auf die Idee gekommen sind, Bilder in realen Wohnumgebungen zeigen zu müssen. Mal sehen, wie das kommt, wie sich diese beiden Bilder in einer anderen Situation bewähren.
Oh, das ist ja sehr interessant! Hier fällt es ganz besonders auf, dass diese Bilder zu klein sind für diese Wand. Dem können wir ja leicht abhelfen.
Oder lieber ein Querformat?
Toll! Ich bin begeistert! Völlig neue Eindrücke! Sehr merkwürdig, dass die beiden kleinen Bilder in dieser Umgebung gar keine Chance gegen die größeren haben.
Das ist eine intimere Situation, die den beiden Bildern eher gerecht wird. Gehen wir näher ran.
Oder doch mit einem größeren Bild in der Mitte?
Donnerwetter! Hier kommt
161 richtig gut raus,
164 hat da seine Schwierigkeiten, genauso wie der Renoir. Es kommt also doch auf das Umfeld an - im Grunde eine Binsenweisheit. Anders gesagt: Diese Zusammenstellung ist für die beiden kleinen Bilder unvorteilhaft. Aber ich war ja gerade angetreten, Bilder gegeneinander auszuspielen, und deshalb müssen die kleinen das aushalten und eine Niederlage hinnehmen.
Leider wird bei den Reproduktionen von
164 nicht recht deutlich, dass dieses Bild vom Farbauftrag und der Farbwirkung her wesentlich sinnlicher ist als
161 - man kann es nur erahnen. Insgesamt ist das aber ein aufregender neuer Start in unbekannte Erlebniswelten. Man merkt das immer daran, dass die älteren Ansätze vergleichsweise dürftig wirken.
und anderswo erworben werden.