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Um Gottes willen, was hatte ich denn damit zu tun? Ich war evangelisch und aus der Kirche ausgetreten. Ich bin in einer evangelischen Gegend aufgewachsen und habe keinerlei Nonnen kennengelernt, weder in Weiß noch in Schwarz. Und weder bei uns auf dem Land noch später in Berlin, New Orleans oder Bielefeld gab es Krankenschwestern, die ich hätte erleben können.
Die malerischen Qualitäten dieses Bildes habe ich überhaupt nicht wahrgenommen. Die sehe ich erst jetzt. Wenn ich mich nicht sehr täusche, habe ich an diesem Bild einen Versuch unternommen, die Vorderseite von der Rückseite (157) zu trennen.
Ich stellte mir vor, dass das so ähnlich gehen müsse wie die Übertragung einer Malerei auf einer Wand. Davon hatte ich gelesen; Picasso hatte im Urlaub die Wände des gemieteten Hauses bemalt, und als sein Kunsthändler Kahnweiler davon hörte, ließ er die Malereien von der Wand ablösen und nach Paris schaffen. Wir hatten die das gemacht? Ich dachte mir, dass man einen Stoff auf die Malerei kleben muss, so dass das gesamte Werk an diesem Träger klebt, wenn man es ablöst. Anschließend müsste man dieses Gebilde auf einen normalen Bildträger aufbringen und den Stoff von der Vorderseite wieder ablösen.
Die ganze Angelegenheit ist natürlich ziemlich prekär. Die Klebung auf der Malerei muss stark genug sein, um die Malschicht mit der Grundierung vom Untergrund ablösen zu können. Und nach erfolgter Fixierung auf den neuen Bildträger müsste sich der Stoff mitsamt Kleber von der Malschicht wieder ablösen lassen, rückstandsfrei am besten.
In meiner Naivität klebte ich also einen Nesselstoff mit handelsüblichen Holzleim, der ja eine wässrige Lösung ist, auf dieses Bild. Leider ließ sich die Malschicht mit der Grundierung nicht von der Hartfaserplatte abziehen. Ich wollte keine Gewalt anwenden, um das Bild nicht zu beschädigen. Was sich außerdem nicht bedacht hatte: Wenn der Holzleim getrocknet ist, ist er vermutlich nicht mehr wasserlöslich und möglicherweise überhaupt nicht mehr löslich.
Vielleicht wird sich eines Tages ein Restaurator mit dem Problem beschäftigen können. Bis dahin kann man das Bild durch den Nessel und den Holzleim noch erahnen. Bei anderen Bildern habe ich es erst gar nicht versucht; leider hat sich bei einigen die Malschicht von ganz alleine gelöst, so dass diese Bilder unrettbar verloren sind. Das schöne Bild 144 ist eins davon. Als ich meine künstlerische Tätigkeit - vorübergehend, wie ich fälschlicherweise annahm - einstellte, blieben Atelier und Lager für ein paar Jahre ungeheizt und waren praktisch den Witterungsjungen ausgesetzt, Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Trockenheit. Das war nicht gut.
Schauen wir uns Vorder- und Rückseite gemeinsam an, zunächst von nahem und dann mit immer größerem Abstand:
Ähnlich wie bei den Karikaturen ist mir völlig unklar, was das Geschlecht, das Alter oder sonstige Charakteristiken bewirkt. Letzten Endes sind es ja alles nur irgendwelche Linien, die unser Gehirn interpretiert. Ich hatte mir von der Lektüre des Buches » The Principles of Caricature von » Ernst Gombrich und » Ernst Kris Aufschluss über solche Fragen erhofft, aber mehr als allgemeine kulturhistorische Bemerkungen und die Feststellung, dass man durch Linien bestimmte Wirkungen erzielen kann, gibt das Buch leider nicht her.
Die malerischen Qualitäten dieses Bildes werden natürlich je deutlicher, desto näher man herankommt. Die Zeichnung hingegen wirkt auch aus der Ferne - beide Beobachtungen sind aber banal.
Das Experiment mit der „Nahsicht“ gefällt mir ganz gut. Mal sehen, wie sich das auf die Dauer macht. Ich vermisse ein bisschen Raumatmosphäre, die durch die Pflanzen, den Sessel und die Lampe erzeugt wird.
Der richtige Rahmen für ein Bild ist für mich ganz offensichtlich die persönliche Wohnung, nicht das Museum. Heute habe ich den Aufsatz » Rahmungen: Die Ikonas von Sarkis von » Andreas Mertin gelesen, in dem er Goethe zitiert:
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Das ist sehr schön gesehen: Kunst im Museum ist überhöht und entrückt und eigentlich tot. Das ist ungefähr so gut wie die Verlagerung eines Altars aus der Kirche in ein Museum. Auch dazu bringt Mertin ein Beispiel:
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Einfach furchtbar. Warum können diese Bürokraten die arme Frau nicht einfach lassen? Der Autor scheint jedenfalls nichts dagegen einzuwenden zu haben, er findet wohl ebenfalls, dass dieses Verhalten in einem Museum nicht angebracht ist. Und auch die Kritik des Theologen und Kunstexperten ist unbefriedigend:
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Ist das denn nun gut, dass die heiligen Figuren, die ehemals religiös verehrt wurden, nun ästhetisch erfahren werden - was immer das bedeutet? Was ist bitte sehr ein Kunst-Schamane? Hätte man diesen Ausdruck nicht problematisieren müssen, wenn man ihn schon verwendet? Und wird der alte » Beuys wirklich wie ein Heiliger verehrt? Oder wird hier nicht ein Begriff entleert? Wie kann eine Konstruktion religiös aufgeladen sein, durchaus sogar? Und was trägt dieser Künstler wie aus welchen Ecken wohin? Was soll bitte theoästhetisch heißen? Welche Wertung steckt hinter dem Ausdruck „spannend“?
Spannend ist ein Begriff aus der Kunstkritik, der immer dann angewandt wird, wenn man eigentlich nichts sagen kann, ist mein Eindruck. Spannend soll jemanden dazu verleiten, die Sache ebenfalls gut zu finden, wenn man selber noch nicht einmal sicher ist, ob man sie gut findet, habe ich immer das Gefühl. Und was ist ein Crossover von Kunst und Religion?
So kann man jeden Satz und jedes Wort auf die Waagschale legen und ich fürchte, man wird finden, dass nichts gesagt wird. Wenn man in die Ausstellung geht, wird man etwas sehen. Wer hätte das gedacht? Mich würde interessieren, inwieweit der Besucher durch die angebliche ästhetische und religiöse Erfahrung verändert wird. Was macht diese Ausstellung mit dem Betrachter? Was wäre seine Chance? Ginge er in die Kirche, könnte man ihm sagen, was er dort erfahren könnte.
Spontan fällt mir » Don Camillo ein, der bekanntlich ein sehr intimes Verhältnis zu Jesus pflegt, das aber merkwürdigerweise immer an ein totes Stück Holz, eine Skulptur des Gekreuzigten, gekoppelt ist - aber der ist ja auch Fiktion. Wenn man etwas über religiöse Gefühle erfahren wollte, müsste man vielleicht die alte Frau fragen, die ins Museum gegangen ist, als der Altar dorthin geschafft wurde.
Als ich meine Bilder erstmals zeigte, war das in einem privaten Rahmen, bei einem kunstinteressierten Kollegen in » Sennestadt, als ich Referendar am dortigen » Gymnasium war (übrigens einer Schule in kirchlicher Trägerschaft). Die Erfahrung war mir unangenehm. Ich habe es für mich so ausgedrückt: Ich möchte nicht, dass irgendwelche Leute mit ihren dreckigen Stiefeln über meine Bilder latschen. Die Bilder hatten für mich offenbar etwas Heiliges, und das Begaffen empfand ich als Beschmutzung. Damals habe ich mich noch gar nicht als Künstler begriffen, aber dieses Gefühl war sehr stark, und in den nächsten fünf Jahren habe ich meine Bilder nie wieder gezeigt.
Natürlich bin ich sehr froh, dass man Kunstwerke im Original im Museum sehen kann, aber dennoch ist das Museum ein toter Ort. Ich wünsche meinen Bildern, dass sie die Wand desjenigen schmücken, der sie liebt und jeden Tag seine Freude daran hat.
Es könnte natürlich auch sein, dass die Kritik zwischen den Zeilen versteckt ist. Der Kritiker sagt nichts, um nicht anzuecken, und sagt damit auf indirektem Wege, dass ihm die ganze Sache nicht gefallen hat. Gewissermaßen im Stil eines Arbeitszeugnisses: Man darf nichts Schlechtes schreiben, also schreibt man nur Gutes, wobei der Kenner diese Aussagen mit denjenigen abgleicht, die nicht gesagt worden sind, die man aber hätte sagen können, wenn sie zutreffend gewesen wären. So könnte ein Arbeitszeugnis auf den ersten Blick hervorragend sein, auf den zweiten jedoch ein totaler Verriss. Beispiel: „Er hat sich stets zu unserer vollsten Zufriedenheit bemüht, jede Aufgabe bewältigen.“ Das heißt im Klartext: „Er hat zwar nie gemosert, wenn man was von ihm verlangt hat, aber leider hat er nichts auf die Reihe gekriegt.“
Diese Lesart hat ja was für sich, denn der Text geht über weite Strecken gar nicht um die Ausstellung an sich - das Zitat von Goethe beispielsweise hat nichts mit der Ausstellung zu tun, und die philosophische Erörterung des geeigneten Rahmens auch nur bedingt. Ich würde diese Interpretation für plausibel halten, wenn der Autor nicht an anderer Stelle immer wieder mächtig auf den Putz hauen und kein Blatt vor den Mund nehmen würde. So muss ich annehmen, dass er meint, was er sagt.
Um Rahmen geht es bei mir ja auch - Mertin philosophiert natürlich auch über die ständige Überschreitung der Grenzen und Beschränkungen durch die moderne Kunst und feiert in diesem Zusammenhang auch die Sprengung der Rahmen, sowohl der buchstäblichen Rahmen als auch der übertragenen, und daran sehe ich wieder, wie konservativ und „rückständig“ ich bin.
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Dazu muss man sich natürlich klarmachen, dass die bürgerlichen Wohnungen damals sehr klein waren. Der große » Jan Six von » Rembrandt hing bei meinem Besuch etwa 1978 im historischen Haus der Familie Six in Amsterdam in einem Zimmer mit mindestens vier anderen größeren Gemälden zusammen, und ich würde dieses Zimmer auf etwa 16, vermutlich sogar noch weniger, vielleicht nur 12, höchstens 20 m² schätzen. Da steht dann noch ein Sofa und ein paar Sessel und ein Tisch und vielleicht ein paar Kommoden. Das war's dann aber schon, mehr passt da einfach nicht rein.
Die Reichen besaßen aber vermutlich auch in den damaligen Niederlanden große Säle, und die wurden auch mit Gemälden ausgestattet. Rembrandt hat ja auch ein paar ganz große Gemälde gemacht, unter anderem für das Rathaus. Aber selbst seine Auftragsarbeiten für den Statthalter sind recht klein und waren vermutlich für entsprechend dimensionierte Räume gedacht.
Hinzu kommt natürlich noch der Stil der Inneneinrichtung. Ich habe in einem 16 m² Zimmer ein Bild mit 160x195cm aufgehängt, und es war wunderbar. In diesem Zimmer war allerdings auch nicht viel drin, auch kein anderes Bild. Und wenn das Zimmer klein und vollgestopft ist, wird man vermutlich auch sehr nah am Bild dran sein, so dass die Dimension des Vermeer absolut angemessen gewesen sein wird.
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Seine Unfähigkeit macht sich am deutlichsten bei den Mündern bemerkbar. Was soll das denn für ein Mund sein beim » Wagner? Man vergleiche mit dem » Portrait von Caesar Willich oder der Fotografie. Der Mund ist nicht von Wagner, der ist von Renoir.
Natürlich hat Renoir auch ein paar schöne Bilder gemalt, » Die Loge finde ich ganz bezaubernd und habe sie auch im Unterricht eingesetzt - das einzige Bild Renoirs mit einer hintergründigen, tieferen Bedeutung, das mir einfällt; seine pubertären Fantasien zähle ich nicht dazu.
Insgesamt finde ich, dass mein Bild sich ganz gut hält, erstaunlicherweise auch mit dem Vermeer. Worauf kommt es an, bei der Malerei? Herzblut hatte ich gefunden, Herzkraft sagte » Sedlmayr 1950 in Darmstadt (siehe Kommentar zu › Nummer 157). Vermeer hat beides, wenn es sich dabei nicht ohnehin um dasselbe Phänomen handelt, was ich vermuten würde.
Allerdings finde ich Vermeers Werk im Ganzen auch nicht ganz gleichmäßig. Und der Fälscher » van Meegeren hat ausgerechnet die weniger überzeugenden Züge wie beim » Mädchen, das fast debil aussieht, ausgebeutet und damit die sogenannten Experten hereinlegen können. Ist schon merkwürdig. * Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog » Stürenburg 2007
Rahmen wie hier gezeigt können bei » Kunstkopie, » artoko und anderswo erworben werden.