Wieder trage ich einen Seitenscheitel, was mich stutzen lässt: Vielleicht entsprach das sogar der Realität - ein Blick auf die anderen Selbstportraits zeigt, dass ich damals offenbar schwankte: Manchmal trage ich ein Mittelscheitel, manchmal einen Seitenscheitel. Der Mittelscheitel hat dann gewonnen. Bis zum Abitur trug ich immer Seitenscheitel.
Das Picasso-Bild von 1954 war Anschauungsunterricht in der Schule, eines der Beispiele für die Moderne Kunst, für die unser Kunsterzieher anscheinend nicht allzu viel übrig hatte, jedenfalls konnte er uns nicht wirklich den Wert dieser Arbeiten nahebringen.
Ich erinnere mich noch an ein weiteres »Portrait Picassos derselben Frau aus demselben Jahr (damals „Madame Z.“ genannt), das wir ebenfalls im Unterricht betrachtet haben. Besonders bei der Haltung der beiden Hände auf diesem Bild ließ der Lehrer durchblicken, dass er nicht allzu viel von solcher Kunst hielt. Gleichzeitig musste er uns natürlich eintrichtern, dass die Moderne Kunst etwas ganz Großes und Bedeutendes ist, unser höchstes Kulturgut, fast schon ein Heiligtum. Wie sagt » Robert Pirsig in » Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten? Erziehung ist Massenhypnose. Wir wurden gut hypnotisiert.
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Auch diesmal ist der Blick wieder sehr intensiv, was merkwürdig ist, da zumindest die Pupille seines linken Auges etwas undeutlich ist, aber das stört überhaupt nicht. Die Einfassung des Kopfes durch die vier schwarzen Strahlen hebt diesen natürlich hervor.
Viele Jahre später wird der Kopf des Helden ebenfalls hervorgehoben, meistens durch eine Art » Heiligenschein (Beispiel: › Nummer 461). Die Einteilung des Hintergrunds in intensivfarbige Flächen, die durch Stege getrennt sind, erinnert auch an die Ästhetik der Kirchenfenster. Die Welligkeit des Papiers an einigen Stellen, hervorgerufen durch die Wasserfarbe, trägt dazu bei, da die Färbung des Glases in der Regel nicht gleichmäßig ist.
Merkwürdig, dass mir die gelbe Färbung der Haut gar nicht besonders ins Auge sticht. Dabei ist sie doch das Auffälligste an diesem Bild. Aber irgendwie stört sie nicht, sondern scheint dazu zu gehören. Wenn man sich vorstellen möchte, die Haut hätte eine andere Farbe, will das nicht gelingen. Also habe ich ein Bildbearbeitungsprogramm zu Hilfe genommen und ein wenig experimentiert. Interessant: Es kamen Effekte heraus wie bei » Andy Warhol, der ja bekanntlich bei seinen Portraits die Farben ebenfalls willkürlich gewählt hat (siehe » Malen wie Andy Warhol). * Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog » Stürenburg 2007
Da das Picasso Project seit spätestens 24.01.2011 gesperrt ist, führt ein direkter Link nicht mehr zum Ziel; daher bin ich gezwungen, die erwähnten Werke hier zu reproduzieren und berufe mich dabei auf » Fair Use bzw. das » Zitatrecht.