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In der Großansicht sieht man sehr schön, wie dick die Farbe aufgetragen ist. Das waren immer noch Nachwirkungen meines Paris-Besuchs beziehungsweise der sinnlichen Faszination angesichts zweier Picasso-Stillleben.
Im Hintergrund links neben dem Mund der Frau sieht man noch Spuren, die der Pinsel in dicke Farbschichten gegraben hatte. Das Raster im Haarputz der Frau ist ebenfalls mit dem Pinsel gekratzt.
Die Hand ist etwas verpfuscht, ansonsten haben wir hier wieder die Proportionsverschiebungen, die aber bei diesem Bild ebenfalls nicht stören, sondern vielmehr zum besonderen Charakter dieser Frau beitragen.
Sehr lebendig sind die Pupillen, während der Mund nicht so ganz gekonnt erscheint. Bei dem Vogel scheint es sich um einen Sperling zu handeln oder etwas in dieser Art; später werden die Vögel viel größer.
Was will mir diese Frau sagen? Sie ist ein bisschen traurig, ihr Herz ist schwer, so als sei sie in Gedanken ganz woanders. Das ist das typische Thema der verlassenen Geliebten, deren Angebeteter sich auf großer Fahrt befindet, und da der Kopfputz mittelalterlich anmutet, muss es sich wohl um eine Kreuzfahrt handeln, die ja bekanntlich Jahre dauerte und wo die Rückkehr durchaus zweifelhaft war.
Ich erzähle natürlich Geschichten, das kann man aus dem Bild nicht ablesen. Es handelt sich um Projektionen, die ich dem Bild überstülpe. Das ist nicht nur legitim, sondern auch unvermeidlich. Sobald das Bild fertig ist und in die Welt entlassen wird, hat jeder Betrachter das Recht, zu projizieren, was das Zeug hält, womit ich nur anerkenne, was ohnehin ganz automatisch stattfindet.
So, nun will ich mal sehen, wie sich dieses Bild an der Wand macht, und zwar zusammen mit seiner Rückseite 130.
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Einstweilen bleibt mir zu sagen: Dekorativ und rätselhaft. Davon gibt es eine Menge. So etwas ist eigentlich gar nicht schwer zu erzeugen. Und dann noch ein bisschen Gold dazu, und schon ist man im Geschäft mit Bilderrahmenläden und Dekoartikeln. Oder so, denkt sich klein Fritzchen. Gut, ich werde jetzt bisschen zynisch, vermutlich weil mir nun so gar nichts dazu einfällt. Tut mir leid. Vielleicht bin ich auch einfach nur erschöpft durch den grippalen Infekt, mit dem ich kämpfe.
Am nächsten Tag - geht's mir schon wieder besser. Nein, mit den Bilderrahmenläden könnte ich keine Geschäfte machen, nicht einmal mit diesem Bild. Warum nicht? Schwer zu sagen. Einmal scheint es einen existenziellen Tiefgang zu haben, der bei oberflächlichen und dekorativen Arbeiten nicht erwünscht ist. Zum anderen gibt es zu viele „Haken“, Unebenheiten, an denen das Auge Anstoß nimmt, so dass eine selbstgefällige Zufriedenheit nicht zustandekommen wird.
Aber nichts geht über ein Experiment, einen Test. Warum soll ich meine Arbeiten immer nur mit anerkannten Künstlern von Museumsqualität vergleichen? Lässt sich da nichts Vergleichbares finden?
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Damit kann ich leben. Spontan fällt mir eine Situation ein, die etwa vier Jahre später eintrat. Ich war Studienassessor geworden, nach


Nach wenigen Tagen bat er mich, meine Musik aufzulegen - er konnte seine nicht mehr hören. Das entsprach auch meine Erfahrung. Daher hatte sich mein Musikgeschmack weiterentwickelt. Ich hatte gelernt, dass manche Musikstücke sehr schwer zu erschließen sind, der Genuss aber dann mit jedem Hören größer wird. Und umgekehrt: Was spontan eingängig ist, kann man nach kürzester Zeit nicht mehr aushalten.
Aus solcher Erfahrung heraus würde ich jede Wette eingehen und meine Bilder neben andere hängen. Die Zeit wird zeigen, welche Bilder sich halten und welche nicht. Damit befinde ich mich in Übereinstimmung mit


Noch ein paar Jahre später habe ich dem Direktor der Volkshochschule Norden eine solche Wette in Bezug auf Qualität angeboten. Ich würde ihm zwei Zeichnung Picassos heraussuchen, von denen ich wusste, dass eine gut, die anderen schlecht ist, beide ihm aber gleichwertig erscheinen würden. Er hätte diese Zeichnungen an unauffälliger Stelle irgendwo in seiner Wohnung nebeneinander aufzuhängen, so dass sein Blick immer wieder einmal wie zufällig an diesen Bildern hängenbleiben würde. Nach spätestens einem halben Jahr wüsste er ebenfalls Bescheid, er wäre meiner Meinung und wir würden nicht darüber diskutieren müssen. Leider ist daraus nichts geworden, da wir kurze Zeit später nach Köln umgezogen sind.