180 cm - 71 inch
Werkgröße 80×100cm
Referenzfigur 180cm
Werkdaten Nr. 132
Öl / Hartfaser
31.03.1974, » 80×100 cm (31×39")
Rückseite von » 139


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Kommentar 09.03.2011
© Copyright Werner Popken. Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA



› No. 139    80x100 cm
Rückseite
Wenn ich nicht irre, waren wir für ein paar Tage in Paris. Erika besuchte einen Tanzkurs, und ich besuchte Museen. Nach ein paar Tagen hielt ich es nicht mehr aus und fuhr allein zurück. Vermutlich waren die Eindrücke zu stark.

Natürlich habe ich Picasso im Original studiert, erstmals. Einige kleine Stillleben haben mich besonders beeindruckt, und zwar durch die ungeheure Präsenz der dicken, weißen Farbe. Dieses Bild setzt einiges davon um. Die Lackfarbe ist sehr präsent.

Der Kopf ist zweifellos eine Skulptur, wirkt aber trotzdem lebendig. Ich war sehr zufrieden damit. Man könnte das Bild als „Memento mori“ lesen. Das gefiel mir. *

Auch dieses Bild ist schwierig zu reproduzieren. Die ganze Fülle an Grautönen lässt sich einfach nicht adäquat am Bildschirm umsetzen; die Kerze ist auch nicht so über die Maßen weiß, so dass sie sich gut in das Bild einfügt und nicht herausfällt.

Seit Anfang des Jahres habe ich einen neuen Bildschirm, LCD diesmal, und bisher musste ich noch kein einziges Bild nachregulieren, aber 132 ist auf diesem Bildschirm im wesentlichen einfach nur schwarz gewesen - auf dem CRT-Bildschirm wird die Darstellung akzeptabel gewesen sein, das Beste, was ich herausholen konnte.


No. 1 » 131 169x66cm, 22.03.1974 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 137 60x45cm, 12.04.1974  · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
No. 1 » 131 169x66cm, 22.03.1974 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 137 60x45cm, 12.04.1974 sold/verkauft
 


No. 2 » 131 169x66cm, 22.03.1974 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 137 60x45cm, 12.04.1974  · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
No. 2 » 131 169x66cm, 22.03.1974 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 137 60x45cm, 12.04.1974 sold/verkauft
 


  Nr. 519: 10x7x5 cm, 16.08.1984 · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
Aber hallo! Plötzlich geht mir auf, dass der Kopf eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Darsteller Picassos im Film » Mein Mann Picasso hat (» Anthony Hopkins), der sich auf die Picasso-Biografie von » Arianna Huffington bezieht, die sich wiederum sehr stark auf die Erinnerungen von » Françoise Gilot stützt.

In diesem Film wird Picasso als Hampelmann dargestellt, der sich etwas hölzern bewegt, die Augen aufreißt, großspurige Gesten macht und ständig versucht, alle Leute zu beeindrucken mit seiner nassforschen Art, womit er nur seine Unsicherheit übertüncht. Es bleibt etwas unklar, ob seine Umgebung ihm das abkauft oder einfach nur das Spiel des großen Kindes mitspielt, weil das nun mal berühmt und mit seiner Person und seinem Schaffen sehr viel Geld verbunden ist.

Sein Jugendfreund und späterer Sekretär » Jaime Sabartés spielt eine wichtige Rolle in diesem Film und scheint sich seinen Teil zu denken. Auf jeden Fall hat er eine Menge aufgeschrieben und verfügt, dass diese Aufzeichnungen zu einem bestimmten Zeitpunkt weit in der Zukunft, wenn alle Beteiligten mit Sicherheit tot sein werden, geöffnet und vermutlich publiziert werden (den genauen Zeitpunkt habe ich mir nicht gemerkt, irgendwas wie 2030 oder so, vielleicht erlebe ich es noch, die Wikipedia erwähnt das bisher leider nicht). Man darf sehr gespannt sein.

Einige Originalfilme, allen voran Le Mystère Picasso von » Clouzot, zeigen in der Tat, dass er zutiefst unsicher ist und es nötig hat, seine Umgebung zu beeindrucken. Es scheint allerdings schwer verständlich, warum ihm das gelingt - aus den Filmen wird das nicht deutlich. Er hat einen unsicheren Gang, einen unsicheren Ton, ganz anders als in dem erwähnten Film. Bis heute lecken ihm wichtige Leute des Kunstbetriebs die Stiefel - ich kann mir das nur durch die enormen finanziellen Interessen erklären, die mit ihm und seinem Werk verbunden sind.

Eine meiner kleinen Skulpturen fasste ich immer als Portrait von Picasso auf:  Nummer 519. Es ist natürlich eine Hommage - ich bin ihm ja wirklich zu Dank verpflichtet, bei aller Kritik. Dieses Bild wäre zum Beispiel nicht denkbar ohne die starken Eindrücke, die ich aus Paris mitgenommen hatte. Dass diese Skulptur wiederum Ähnlichkeit mit meinem Bild hat, geht mir erst jetzt auf.


No. 4 » 210 160x52cm, 09.01.1975 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 131 169x66cm, 22.03.1974 · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
No. 4 » 210 160x52cm, 09.01.1975 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 131 169x66cm, 22.03.1974
 


131 beziehungsweise dessen Rückseite 100 sind schon recht extreme Formate für mich, die ich nur einmal noch übertroffen habe, als ich eine Platte verarbeitete, die irgendwo herum stand, vermutlich ein Rest der Küche, die ich damals gebaut hatte: 210. Hieran wird sehr schön der Einfluss Picassos deutlich und die Stärkung, die durch die Verwendung von Lack erreicht wurde.


No. 5 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 214 103x130cm, 14.02.1975 · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
No. 5 » 132 80x100cm, 31.03.1974 » 214 103x130cm, 14.02.1975
 


No. 6 » 214 103x130cm, 14.02.1975 » 132 80x100cm, 31.03.1974 · © Copyright Werner Popken. 
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No. 6 » 214 103x130cm, 14.02.1975 » 132 80x100cm, 31.03.1974
 


Ja, so langsam komme ich zur Ruhe - das sind doch andere Kaliber! Hier kommt jetzt eine Wucht hinein, die bisher noch nicht vorhanden war, und an 132 kann man es schon erkennen. Hier geht es los. Und der Rahmen passt jetzt auch besser.

Abgesehen von der malerischen Kraft: Was sagt das Bild aus? Es ist wieder ein älterer Mann, doppelt so alt wie ich, mit Glatzkopf und ein paar dürftigen Haarsträhnen als Skulptur auf dem Tisch zusammen mit einer erloschenen Kerze und einem klobigen Kerzenständer, in einem dunklen Raum, in dem ein Bild oder ein Spiegel an der Wand hängt; der Rahmen ist deutlich sichtbar, obwohl der Raum als solcher nicht greifbar wird und sich hinter der Skulptur im Dunkeln verliert. Jedenfalls habe ich das immer für einen Rahmen an der Wand gehalten, aber wenn ich es recht überlege, könnte es auch ein Fensterrahmen sein.

Der Sockel der Skulptur ist klobig und kantig, und je mehr man nach oben kommt desto gerundeter wird die Form, desto lebendiger wird der Kopf. Der Mann starrt halb erstaunt, halb entsetzt vor sich hin, die Augen treten ihm fast aus dem Kopf, der Mund ist leicht geöffnet, als wollte er etwas sagen. Insgesamt ist das Bild sehr düster, trotz der hellen Kerze, die ja in ihrer erloschenen Form als Symbol der Vergänglichkeit und des Todes zu lesen ist. Erschrickt dieser Mann vor der Notwendigkeit des Sterbens?

Es sieht eigentlich weniger so aus, als ob er eine existenzielle Wahrheit vor Augen hätte - dann müsste er diese nicht so aufreißen. Was könnte er da sehen? Außerdem ist sein Gefühl nicht ganz echt. Es ist in demselben Maße nicht echt wie das Spiel des Schauspielers in dem erwähnten Film. Irgendwie tut er nur so, als würde er sich entsetzen. Das ist es! Irgendwie habe ich immer gespürt, dass mit diesem Bild, so beeindruckend es ist, etwas nicht stimmt.

Herzblut, so hatte ich die besondere Qualität genannt, die ein herausragendes Kunstwerk haben muss. Das reicht nicht. Wahrhaftigkeit muss hinzutreten. In diesem Sinne ist dieses Bild nicht wahrhaftig, es möchte mehr sein, als es ist, es tut so, als ob. Alles das kann ja nicht durch den Intellekt gesteuert werden und auch nicht durch Kunstfertigkeit, Übung, Kontrolle - diese Qualitäten manifestieren sich oder nicht, beziehungsweise es manifestieren sich ja immer Inhalte, in diesem Fall eben minderer Art, genausowenig wie man verhindern kann, dass der eigene Charakter offenbar wird.

Wie ist das alles kompliziert! Das kann man natürlich nicht messen, das kann man noch nicht einmal analysieren, das kann man nur erfühlen, und das kann man nicht automatisch, das muss man lernen, und hoffentlich kann man das auch.

Bereits bei kleinen Kindern, kaum geboren, hat man ihr schon das Gefühl, dass einem eine vollständig ausgebildete Persönlichkeit entgegentritt. Wenn diese verlogen ist, wie wird sie dann Wahrhaftigkeit lernen? Wenn einer selbst keine Wahrhaftigkeit hat, wie will er Wahrhaftigkeit erkennen? Früher nannte man das Charakterfehler. Ein Charakter muss aber, ungeachtet dessen, was einer mitbringt, gebildet werden, und dazu bedarf es der Kultur. In diesen Tagen wird viel über Ehre und Anstand, Lüge und Betrug geredet, und viele Leute reden entsetzlich dummes Zeug (» Plagiatsaffäre Guttenberg). Vermutlich wissen sie nicht, wovon sie reden. Und da rede ich über Wahrhaftigkeit in der Kunst! Zu wem spreche ich da?

Sehen Sie, dass die kleine Skulptur 519 und das Gemälde 214 Wahrhaftigkeit haben?

Nachdem ich noch eine Weile darüber nachgedacht und auf dem Bild herumgeschaut habe, komme ich zu dem Schluss, dass meine soeben vollzogene Einschätzung nicht ganz korrekt ist. 132 ist durchaus wahrhaftig, nur nicht in der „Person“, die durch die Skulptur dargestellt wird. Und so stellt sich die Frage, ob dieses Bild nicht wahrhaftig ist in der Darstellung der Unwahrhaftigkeit. Ich muss das wohl noch eine Weile auf mich wirken lassen.
*   Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog  » Stürenburg 2007
 
 
Rahmen wie hier gezeigt können bei » Kunstkopie, » artoko und anderswo erworben werden.

 





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