180 cm - 71 inch
Werkgröße 30×26cm
Referenzfigur 180cm
Werkdaten Nr. 13
Öl / Weichfaser
29.10.1972 - 13.10.1973, » 30×26 cm (12×10")

» Kommentar

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Kommentar 17.12.2010
© Copyright Werner Popken. Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA


Dies ist die Überarbeitung eines früheren Gemäldes, die an mehreren Stellen deutlich zu erkennen ist. Die Datierung des ursprünglichen Gemäldes ist schwierig. Es könnte noch während meiner Schulzeit entstanden sein oder aber vor den Objektarbeiten aus den Berliner Jahren.

Vermutlich war es ein Selbstportrait, das nun fantastisch umgearbeitet wurde. Der souveräne Einsatz der Farben ist verblüffend. Die Klänge sind wunderschön und entsprechend schwierig zu reproduzieren. Je länger ich auf dem Bild herumschaue, desto entzückter bin ich über die fantastischen Farbzusammenstellungen, die man sich überhaupt nicht ausdenken könnte. Wie kann man nur so ein Bild malen? Alles muss ja zusammenpassen, jede Linie und jede Farbe wirkt wieder auf die anderen zurück. Wie die Pinselführung die Farbe changieren lässt, ist unglaublich, etwa bei der roten Umrandung der Haare.

Witzigerweise finden sich einige Symbole auf dem weißen, hochgeschlossenen Gewand des Mannes mit rotem Schnurrbart und Mittelscheitel, dessen beiden Knöpfe genialisch angedeutet sind: Das mathematische Symbol für die Summe Σ, das physikalische Vektorzeichen und zwei Zeichen für die große Unbekannte x nebst logischem Nicht-Zeichen ¬. Ein gelbes Fragezeichen ? im Haar, die mathematischen Operatoren + und * auf den Wangen und eine Punkt-Strich-Kombination sowie einige Zickzacklinien vervollständigen das Zeicheninventar.

Auffällig ist natürlich die dunkle Hautfarbe, die Schminke sein könnte, und die grelle Bemalung des Gesichts, die völlig unkonventionell ist und weder an Stammesbemalungen noch an Clownsmasken erinnern. Der Schnurrbart sticht auf den ersten Blick nicht besonders ins Auge, aber wenn man genau hinschaut, sieht es aus, als sei er aufgeklebt. Will sich da jemand hinter einer Maske verstecken? Der Mann ist deutlich verwirrt. Besonders die altrosa umrahmten gelben Augen und der rote Mund mit den Mäusezähnchen strahlen aber eine enorme Innigkeit aus, deren ich mir damals gar nicht bewusst war. *


Die grünen Haare sind natürlich ebenfalls ungewöhnlich, fallen mir aber jetzt erstmals bewusst auf. Warum hat der grüne Haare? Oder ist es eine Haube, die so tut, als wären es Haare? Das Werk  Nummer 31 zeigt ebenfalls ein Selbstportrait mit grünen Haaren, was mir früher schon mal aufgefallen war und wofür ich keine Erklärung hatte.

Und dann lief mir vor etwa 10 Jahren ein Buch über den so genannten » Grünen Mann über den Weg, ein Phänomen, das sich durch die Kunstgeschichte zieht und im Sinne der » Archetypenlehre von » C.G. Jung gedeutet wurde. Das half mir aber auch nicht weiter. Der Grüner Mann ist durch die Vegetation grün, seine Haare und sein Bart werden durch Blätter gebildet, was hier eindeutig nicht der Fall ist. In diesem Sinne ist das sicher kein Grüner Mann.

Noch etwas fällt mir heute auf: Das Mal auf der Stirn. Es ist ja eine Art Hinweiszeichen wie bei einer Schnitzeljagd und könnte auf das sogenannte geistige Auge hinweisen, wie es in Indien manchmal als Schmuckzeichen angedeutet wird, wenn dieses nicht viel zu hoch angebracht wäre. Die ganze Partie der Nase und der Stirn wiederholt noch einmal den Pfeil nach oben, an den sich die rot gezackte Linie anschließt, die den Scheitel markiert, der seinerseits viel zu hoch angesetzt ist und ebenfalls nach oben weist. Diese Partie wiederum korrespondiert mit der eigenartigen Form, die die Kinnlade und das Kinn markiert, mit einem deutlichen Punkt abschließt und ebenfalls nach oben weist.

Dieser Mann ist nicht nur verwirrt und ein wenig traurig, er schaut auch nach innen beziehungsweise in eine unbestimmte Nähe, wodurch deutlich wird, dass er eigentlich nichts anschaut als seine eigene Existenz. Man könnte annehmen, dass er ein bisschen Angst hat vor der Fülle des Lebens, aber neugierig ist er auch. Ich fasse dieses Bild als Selbstportrait auf, und es sollte nicht das einzige bleiben, das mich in starker Verwirrung zeigt.

Der Gegensatz der Befindlichkeit des Dargestellten zu den beiden vorherigen Arbeiten ist ziemlich deutlich. Die beiden anderen Selbstportraits sind demgegenüber sowohl naiver als auch weniger offen. Sie zeigen das, was ich im Spiegel sehen konnte. Ich wollte mich ähnlich zeichnen, und wenn mir auch eine fotografische Ähnlichkeit nicht gelang, was mit dem Kugelschreiber auch nicht ganz einfach wäre, so war ich doch ziemlich zufrieden. Ähnlicher hat ein » Pablo Picasso sich auch nicht zeichnen können, um den mal ins Spiel zu bringen. Dieses Bild jedoch erhebt gar nicht den Anspruch, möglichst ähnlich zu sein. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb wird etwas sichtbar, das im Spiegel nicht zu finden ist.

Die realistischen Selbstportraits habe ich bald aufgegeben, weil mir klar wurde, dass auf diese Weise im wesentlichen nur die Oberfläche dargestellt werden kann. Durch die Maskierung kann jedoch, wie man hier sieht, etwas zum Vorschein kommen, was möglicherweise noch gar nicht bewusst ist oder nicht formuliert werden kann. Hier scheint also zum ersten Mal eine Dimension der Kunst auf, die mich faszinierte und ein Leben wert zu sein schien.
*   Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog  » Stürenburg 2007

 





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