180 cm - 71 inch
Werkgröße 122×94cm
Referenzfigur 180cm
Werkdaten Nr. 105
Öl / Hartfaser
08.02.1974 - 09.02.1974, » 122×94 cm (48×37")
Rückseite von » 110


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Kommentar 25.02.2011
© Copyright Werner Popken. Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA



› No. 110    95x123 cm
Rückseite
Die Entstehung dieses Bildes ist mir in guter Erinnerung, und zwar durch eine peinliche Situation. Irgendwie hatte ich wohl in meiner mathematischen Übungsgruppe, deren Leiter ich war, von der Malerei erzählt, und eine der Teilnehmerinnen war neugierig, wie das wohl vonstatten gehen könnte, und bat darum, Zeuge zu sein.

Naiv wie ich war, hatte ich nichts dagegen. Sie kam, ich setzte einen Tee auf, wir plauderten ein wenig, und dann legte ich los, wie inzwischen schon gewohnt, ohne irgendeine Absicht, was zu demonstrieren war.

Nach kurzer Zeit saß ich fest. Ich hatte irgendwie einen Zaun und daran lässig angelehnt einen Cowboy produziert, aber das sah alles gar nicht richtig aus. Ich merkte, dass ich gehemmt war und brach ab.

Sie nahm es mir nicht krumm. Am nächsten Tag nahm ich mir die Tafel wieder vor und produzierte dieses alte Pärchen. Ich vermute, dass er der Cowboy ist, aber nun schon deutlich senil und angeschlagen. Sie wird wohl seine Frau sein, ist noch wesentlich fitter und hält in rührender Weise seiner Hand.

Zu ihren Füßen liegt der zweite Dackel in meinem Werk (der erste ist in  Nummer 32) und schläft. Ich hatte mir zwar als Junge einen Hund gewünscht, aber nie einen besessen. Ich kannte auch keinen Dackel näher.

Man kann sich die Überraschung der Studentin vorstellen, als ich ihr von der Verwandlung des großkotzigen Cowboy erzählte. Dies geschah am 8. und 9. Februar 1974.

Dieses Bild ist übrigens erstens größer und zweitens das erste auf Hartfaserplatte. Es war in dieser Hinsicht also auch eine Novität. Damit wird die Phase der Bilder auf Hartfaserplatten eingeläutet. Damit konnte ich beide Seiten bemalen und die Kosten dauerhaft reduzieren. Auf der Rückseite dieses Bildes ist  Nummer 110. *

Wenn ich es mir recht überlege, kann die Geschichte so nicht ganz stimmen, denn ich habe nur bis zu meinem Diplom Übungsgruppen geleitet, und das war ja schon 1972. Entweder habe ich diese Studentin also schon damals in diesem Zusammenhang kennengelernt und ihr später außerhalb dieser Situation davon erzählt, oder dies muss in einer der Lehrveranstaltungen gewesen sein, die ich auch als Doktorand besucht habe, was ich aber für weniger wahrscheinlich halte, da die Studentin nach meiner Erinnerung zu jung waren, um dieselben Veranstaltungen zu besuchen wie ich. Aber letzten Endes spielt das natürlich für die Anekdote selbst, die sich ja so zugetragen hat, keine Rolle.

Mir fällt auf, dass ich diese beiden ebenfalls sehr ins Herz geschlossen habe, so wie die alte Dame aus  Nummer 102. Wie der Zufall spielt, habe ich vor ein paar Minuten eine der lustigen oder bedenkenswerten E-Mails geöffnet, die mir immer wieder von meinem amerikanischen Jugendfreund Thomas H. Moore III, den ich 1964 in England kennengelernt, seit Ende der Siebzigerjahre aus den Augen verloren und Mitte 2006 über das Internet wiedergefunden hatte, weitergeleitet werden.

Darin erzählt eine Sprechstundenhilfe die Geschichte eines alten Mannes, der sich verletzt hat und schnell wieder pünktlich nach Hause möchte, um mit seiner Frau zu frühstücken. Sie erkundigt sich daraufhin auch nach der Gesundheit der Frau, und so stellt sich heraus, dass diese dement ist und ihren Mann schon seit 5 Jahren gar nicht mehr erkennt, insbesondere auch nicht mitbekommen würde, wenn er sich verspätete oder überhaupt nicht käme.

Daraufhin wundert sich die Sprechstundenhilfe, dass er sie immer noch jeden Tag besucht und Wert darauf legt, pünktlich zu sein, und er versichert ihr, dass es ihm nichts ausmacht, dass sie ihn nicht mehr erkennt, da er umgekehrt immer noch weiß, wer sie ist. Verständlicherweise treibt das der Sprechstundenhilfe die Tränen in die Augen.

Diese Geschichte ist mit einigen mehr oder weniger kitschigen Bildern illustriert, von denen mir das folgende am besten gefallen hat:


  She doesn

Bei meinem Bild scheint es umgekehrt zu sein: Der Mann macht einen dementen Eindruck, die Frau weiß noch, wie er er ist. Oder besser gesagt: Wer er einmal war, denn die Geschichte ist natürlich in erster Linie rührselig. Die Frau von » Walter Jens hat sich ganz anders geäußert: „Das ist nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe.“ Demenz ist ein Thema, mit dem man nicht spaßen darf. Wunderbar, wenn es so ist, wie in der Geschichte erzählt, aber ob man die glauben kann, ist eine andere Frage.

In meinem Bild scheint sich die Frau jedenfalls sehr rührend um den Mann zu kümmern. Möglicherweise ist er blind. Es ist merkwürdig, dass dieser Eindruck sich mir aufdrängt, denn Knopfaugen habe ich oft verwendet, und meistens schauen diese Augen sehr deutlich und sehr intensiv. Warum habe ich hier den Eindruck, der man könne blind sein? Seine Frau hat ja auch Knopfaugen, aber die haben einen sehr intensiven Blick. Man sieht genau, wo die Frau hinschaut, und was ihr Blick bedeutet.

Auch bei diesem Bild staune ich immer mehr, je länger ich mich damit befasse. Einfach unglaublich!


No. 2 » 105 122x94cm, 08.02.1974 » 26 92x66cm, 06.10.1973 » 28 28x24cm, 19.05.1963 · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
No. 2 » 105 122x94cm, 08.02.1974 » 26 92x66cm, 06.10.1973 » 28 28x24cm, 19.05.1963
 


Wegen der Größe des Bildes komme ich jetzt langsam in Schwierigkeiten. Ich hatte dem Bild eigentlich einen breiteren Rahmen spendiert, der passte aber dann nicht mehr auf den Wandausschnitt. Also habe ich ihn dann beschnitten. So geht's. Bei diesem Bild jedenfalls. Sie werden ja noch größer, also muss ich mir spätestens dann eine neue Wand konstruieren. Nun möchte ich aber auch noch die beiden anderen Bilder auswechseln, ich habe ja noch mehr alte Bilder, die ich an der Wand testen möchte. Das bin ich denen wohl schuldig.


No. 3 » 29 99x79cm, 14.10.1973 » 105 122x94cm, 08.02.1974 » 13 30x26cm, 29.10.1972 · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
No. 3 » 29 99x79cm, 14.10.1973 » 105 122x94cm, 08.02.1974 » 13 30x26cm, 29.10.1972
 


Ich bin überrascht, wie gut 29 an der Wand kommt. 13 ist ein bisschen klein, die großen Qualitäten dieses Bildes kommen so natürlich überhaupt nicht heraus.


No. 4 » 105 122x94cm, 08.02.1974 » 29 99x79cm, 14.10.1973 » 25 54x45cm, 05.10.1973 · © Copyright Werner Popken. 
Alle Kunstwerke / all artwork © CC BY-SA
No. 4 » 105 122x94cm, 08.02.1974 » 29 99x79cm, 14.10.1973 » 25 54x45cm, 05.10.1973
 


Auch 25 macht sich erstaunlich gut. Nichtsdestotrotz kann die dekorative Qualität natürlich nicht von der mangelnden künstlerischen Qualität ablenken.

Bei 105 beeindruckt neben den Gesichtern die Körpersprache. Die Hinfälligkeit des Mannes und die Rüstigkeit der Frau, ihre schicksalhafte Verbundenheit werden unmissverständlich durch einfachste Mittel verdeutlicht. Die einzige Stelle, die etwas Rätsel aufgibt, sind die übereinandergelegten Hände. So lese ich das jedenfalls, aber ich gebe zu, die Realisierung ist etwas sehr abstrakt. Insbesondere die drei blattförmigen unteren Elemente erinnern so gar nicht an Hände oder Finger. Aber was soll das sonst sein?

Und warum habe ich dieses Bild gemalt? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich damals an das Alter gedacht habe, an Hinfälligkeit, an Sterben. Ich war jung und auch meine Eltern waren noch nicht alt und keineswegs hinfällig. Das Ende meiner Großeltern habe ich nicht aus nächster Nähe miterlebt; bei meinen letzten persönlichen Begegnungen mit denen waren sie auch noch rüstig und hellwach. Sehr merkwürdig.

Noch merkwürdiger ist natürlich die Verwandlung des lässigen Cowboys in den alten Mann. Ich erinnere mich noch daran, wie unwohl ich mich gefühlt habe, unter Beobachtung zu malen. Als ob ich etwas zu beweisen hätte. Es kommt mir jetzt die Assoziation zum Tanz, der ja üblicherweise in der Öffentlichkeit stattfindet. Ich muss die Öffentlichkeit vergessen, um mich dem Tanz hingeben zu können, um mich tanzen zu lassen - erst dann wird der Tanz schön und gut und euphorisierend. Diese Notwendigkeit, das Bewusstsein des Beobachters auszuschalten, war mir entweder nicht bewusst oder ich war nicht in der Lage, diesen Zustand zu erreichen. Vermutlich habe ich mich noch nicht einmal darum bemüht, aber so genau kann ich mich nicht mehr an diese Situation erinnern.
*   Der vorstehende Kommentar ist die Anmerkung aus dem Werkkatalog  » Stürenburg 2007

 





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